Der Legende nach fahre ich gerne Achterbahn. Ich weiß nicht, ob sie wirklich stimmt, schließlich saß ich schon seit Jahren nicht mehr in einem derartigen Höllengefährt.
Jedenfalls soll ich heute mit M., dem 10-jährigen Sohn eines befreundeten Pärchens, auf dem hamburger Volksfest, dem Dom, mehrere solcher Fahrgeschäfte absolvieren, er wünscht es sich so sehr, auch die ganz große will er unbedingt machen. Und da er sonst keinen Doofen findet, der sich dazu bereit erklärt, mit ihm diese Sachen zu fahren, muss eben ich dafür herhalten.
Aber sein Vater P. ist als moralischer Beistand auch dabei und trotzdem gebe ich, während wir über den Dom schlendern, die ganze Zeit die Dramaqueen, sage ständig: „Ogottogottogott“ und: „Wollen wir nicht lieber Riesenrad fahren“ und solche Dinge und deute beispielsweise auf ein Kinderfahrgeschäft mit einer leichten Abfahrt, von der ich behaupte: „Diese Höhe reicht eigentlich vollkommen aus, mehr braucht es nicht“.
Aber es hilft ja nix.
1. Wildwasserbahn
Etwas Leichtes zum Einstieg, da fährt auch Vater P. mit, das ist ihm nicht zu heftig. Die erste Abfahrt ist relativ harmlos, wir werden beim Aufprall unten im Wasser nicht zu nass, aber fieserweise ist die zweite Abfahrt deutlich höher und ich werde bei der Ankunft in der Tiefe untenrum komplett begossen. Später werde ich behaupten, es war nur das Wasser, was über mich in das baumstammförmige Boot hineinschwappte und meine Hosenbeine dunkel färbte.
2. Rock & Roller Coaster
Eine kleinere Achterbahn, ein bisschen erinnert sie an die Wilde Maus, aber das ist P. dennoch zu heftig, also fahren nur M. und ich mit. Es geht sehr hektisch und ruppig zu, M. hat Spaß und, naja, ich auch.
3. Atlantis Rafting
P. ist wieder mit an Bord, er scheint Wasser sehr zu mögen. Wir sitzen zu dritt in einem überdimensionierten Reifen, der zwar nur eine relativ geringe Höhe herunterglitscht, dabei aber erstaunlich schnell wird und kurz vor Ende der Strecke nach einem wilden Stromschnellenpart so sehr wackelt, dass ordentlich Wasser hereinkippt. Es wird von uns ein Bild von dem Fotoautomaten des Fahrgeschäftes geschossen, ich schaue darauf mit erhobenen Händen zwischen meine Beine, ich werde später behaupten, das war nur das Wasser, was in den Reifen hineinschwappte und meine Hosenbeine dunkel färbte.
4. Teststrecke
Die große. Zwei Überkopfloopings, die M. und mich wie zwei leere Monsteraugen aus einem von Lovecraft erdachten Paralleluniversum anstarren. Unsere Fahrkarten sind bereits bezahlt und auf dem Weg zwischen den Schienen zum Einstieg sprechen wir uns gegenseitig Mut zu, sehen aber zu viele Details der Strecke und ein Zug knattert mit ohrenbetäubendem Lärm direkt über unsere Köpfe hinweg. Mit Beinen wie aus Kautschuk nähern wir uns weiter dem wartenden Zug und steigen vorne in den ersten Wagen ein, M. möchte das so.
Doch wir haben uns kaum hingesetzt, als M. Panik bekommt und mit ehrfürchtiger Stimme piepst, er kann das unmöglich machen, das ist ihm jetzt zu viel. Wir steigen wieder aus, begleitet von den Blicken der Bahnmitarbeiter, diese irgendwo zwischen finster und verständnisvoll.
Leichtsinnigerweise teile ich im Vollbeklopptenmodus M. später mit, irgendwann, wenn er sich bereit für dieses Monster fühlt, dann machen wir das.
5. Feuer + Eis
M. hat sich von seinem Schock erholt, er wirkt wieder gefasst und weiter geht’s.
Dieses Ding hat kaum Höhenunterschiede und fährt mehrere Runden lang, abgesehen von irgendwelchen Zwischenkurven, weitestgehend im Kreis und gewinnt dabei beeindruckend an Tempo. Wenn ich etwas nicht vertrage, dann sind es diese Fahrgeschäfte, die immer im Kreis fahren (z.B. das Kettenkarussell: abartig, einfach nur abartig), dabei wird mir mit Ansage schlecht.
Aber nun sitze ich neben M. im Wagen und bereits in der ersten Runde rutscht mir mein Gehirn in die Bauchgegend herab und im Kopf schwappt die Magenflüssigkeit umher, aber M. hat Spaß, so soll es sein. Es sollten noch gefühlt 12 lange Runden folgen.
Ich habe meine Pflicht erfüllt und wir verabschieden uns, mir ist dabei etwas flau und schwitzig zumute, dieser kleine Kackzug zuletzt hat mich gekillt.