katarrh

Fake Blog

Die Urversion dieser Site entstand anfang der 80er-Jahre, sie sollte zu einer Art Plattform für meine Mitschüler und mich werden, auf der wir virtuelle Spickzettel für bockschwere Klassenarbeiten austauschen wollten, natürlich mit meinem geheimgehaltenen Ziel, diese illegalen Hilfsmittel zu fälschen oder mit vielen Fehlern zu versehen, damit ich die guten Benotungen abstaube und die anderen die schlechten.
So bauten 4 Freunde und ich an einem Grundgerüst (ca. 19 Meter hoch) und schnitten massenweise Lochstreifen zurecht, nur um dann festzustellen, das Internet war noch gar nicht da. In Folge geriet das Projekt in Vergessenheit, meine bösen Absichten lösten sich im Nirwana auf und ich bekam die miesen Noten, die anderen sahnten die guten ab und wurden später Bundespräsident oder ähnliches.

Anfang der 90er, als das Internet kommerzialisiert wurde und nach und nach für jedermann verfügbar wurde, verschlief ich ein paar Jahre diese Entwicklung; als ich aufwachte, musste schnell etwas Neues mit einem anderen Konzept her. Die Lochstreifen waren zu Staub zerfallen oder versteinert, ich wusste nicht weiter und tauchte eine Weile im Darknet unter, um mich dort umzuhören. Jedoch waren die Leute da drin sehr verschlossen, alle schwiegen sie, niemand half mir also weiter und erneut verstrich eine lange Zeit, in der mir bewusst wurde, ich stehe vor dem Nichts und ich muss mir alles alleine von Grund auf neu aufbauen.

Darum ist die vorherige Version dieses Blogs nicht erst seit gestern als veraltet zu bezeichnen, ebenso die Technik, die dahinter steckte: deutlich mehr als ein Jahrzehnt lang wurde eine Mixtur aus analogen und digitalen Methoden angewandt. So wurden aus zahlreichen Printpublikationen mit der Schere Buchstaben ausgeschnitten, diese wurden neu zusammengesetzt, bis sie einigermaßen sinnvolle Worte ergaben, dann wurden sie mit UHU auf Pappe aufgeklebt und das Ergebnis hinterher aufwändig eingescannt (6 Industriescanner verschliss ich dabei, denn wenn sie allzu sehr verklebt waren, mussten sie ausgetauscht werden). Großbuchstaben waren bei diesem Verfahren zu teuer und schwierig umzusetzen, weshalb sie in der Regel nur spärlich eingesetzt wurden. Wie hinterher alles im Internet erschien, das ist mir zu hoch und ich kann es an dieser Stelle auch nicht erklären.
Was niemand weiß bzw. zu ahnen vermag, also weder die NSA, russische Hacker oder auch mein einziger Leser (ich), werkelte ich ebenso lange im Hintergrund an einer neuen, verbesserten Version dieses Blogs herum, Nächte schlug ich mir dabei um die Ohren, unzählige Matcha-Quinoa-Ingwer-Tees wurden dabei konsumiert, sowie insgesamt 291 Kisten Doppelkorn (hier weiß ich die genaue Anzahl, da ich mir das Zeug nach sehr strengen Regeln einteilte). Dass zwischendurch vereinzelt Monate, ja ganze Jahre fehlen, ist aber nicht hierauf zurückzuführen, auch nicht etwa auf diverse Schreibblockaden oder Selbstzweifel, sondern schlicht darauf, dass ich wegen der beschriebenen, mannigfaltig geschluckten Getränke nicht mehr vom Klo herunterkam.

Nun aber ist es soweit: die neue Version ist da und bietet unzählige Wahnsinnsfeatures, nicht einmal ich kenne sie alle, geschweige denn kann ich sie bedienen, verstecken sie sich doch zu sehr zwischen dem ganzen Bling Bling und Klimbim auf der neuen Site. Angeblich existiert auch an irgendeinem Ort ein Button, der alles zerstörte, drückte ich diesen; ein Glück, ist auch er sehr gut verborgen.
Ich neige auch dazu, zu vergessen, wie es möglich ist, auf der neuen Oberfläche frische Einträge zu machen, wenn also wieder monate- bis jahrelang nichts passieren sollte, dann liegt es hieran oder ich klebe aus Nostalgiegründen gerade Buchstaben irgendwo drauf.
Für das runderneuerte, völlig anders gestaltete Design ließ ich mich nicht lumpen und beschäftigte parallel gleich 3 professionelle Kreativfirmen, die jedoch an meinen Ansprüchen scheiterten und mich sogleich wieder loswerden wollten, was sie dann auch taten. Nichtsdestotrotz ist der Look zu einer wahren Augenweide geworden, da habe ich mich selbst übertroffen. Ich hoffe, das tolle wie aufdringliche Design lenkt stark von den Texten ab, sie sind sowieso eher zu vernachlässigen. Man könnte auch sagen, das Aussehen dieser Sache hier wird stetig besser, schöner und im Dunkeln leuchtender, während sich das Geschriebene immer mehr zu pubertärem Pausenbrotgelaber wandelt.

In diesem Sinne wü

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Des Sentence

Die Fernbedienung meines Apple TVs verfügt über eine Sprachfunktion. Leider denke ich oft nicht an sie, stattdessen tippe ich die Buchstaben der Titel der zu streamenden Filme oder Serien einzeln und umständlich über die wenig komfortable Bildschirmtastatur ein. Nicht so heute, sowieso ist der Name des für anspruchsvolle Filmconnaisseure nicht weiter erwähnenswerten Filmes Death Sentence viel zu lang für Fingerübungen bis -verknotungen; ich hole tief Luft, drücke die Mikrofontaste und spreche, das „TH“ in „Death“ dabei sanft, aber nachdrücklich hingelispelt, als käme ich gerade stolz aus einer der Englischunterrichtsstunden der fünften Klasse, besser geht’s also kaum. „DS“, „DF“, „Dallas“ sind die ersten Ergebnisse. Ich gebe nicht auf, nehme einen Schluck Wasser, gurgle, betätige erneut den Sprachknopf und sage in hingebungsvoller Perfektion: „Death“. „Der Fuchs“ versteht der Applefuchs, danach immerhin „The“, bei „Tennis“ muss ich fast schon schmunzeln und bei „Def“ breche ich ab.
Ratlos starre ich die Fernbedienung an, was eher blöd ist, denn eine Anstarrfunktion hat sie nicht, also wässere ich erneut meine Stimmbänder und spreche anschließend beide Worte des Titels hinein, sicher funktioniert dies besser: „Death Sentence“. „Def sind“, „Dev Sentence“ (fast, fast!) und danach schlägt er ein – meiner Ansicht nach nicht existentes – Seriencrossover vor: „Dallas Simpsons“. Ok. Es folgen noch zwei Simpsons-Abwandlungen, „Def Simpsons“, „Test Simpsons“, bevor mir das surreal anmutende Ergebnis „DS Silentium“ ausgespuckt wird.
Ich erhole mich ein bisschen, mache eine kurze Pause und habe dabei eine Eingebung: was ist, wenn der Apple-TV-Kram schlauer ist als ich, also quasi denkt, die Deutschen können das „TH“ sowieso nie richtig ausprechen und deswegen interpretieren wir für den deutschsprachigen Raum ein ausgesprochenes „S“ als „TH“ (wir wissen das ja aus Urlauben und Vormärschen im Krieg; Deutsche erkennt man schon von weitem an ihrer lächerlichen Aussprache, „Sänk ju“, „Sis is …“, „Se sing is …“ usw.).
Das muss ich ausprobieren: ich schaue tumb drein, stecke mir eine Hand in die Hose und bohre mit einem Finger in der Nase, während ich mit dieser den Mikrofonbutton betätige und dabei brülle: „DES SENTENCE“. Das Ergebnis: „Death Sentence“ steht da auf dem Bildschirm. So simpel. So überzeugend. Warum nicht gleich so.

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Tough im Apple Store

Ich stehe im Apple Store vor einem Regal und schaue mir überteuerte Schnöselprodukte an, als sich eine ältere Dame, der anzusehen ist, sie kann sich durchaus dies und jenes mal leisten, weil sie Geld hat, davon aber dann doch nicht so viel, um es hinzubekommen, ihre brutal aufgetragene Schminke auf ihre bronzefarbene Glanzjacke optimal abzustimmen, es sieht eben alles an ihr höchstens halb perfekt aus, an einen sich in meiner Nähe befindlichen Mitarbeiter wendet.

Die Dame: „Hallo, Entschuldigung?“
Der Mitarbeiter: „Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“
Die Dame: „Ich hätte mal eine Frage zum Apple Touch.“
Der Mitarbeiter: „Ähm … was soll das denn für ein Gerät sein?“
Die Dame: „Na, der Apple Touch.“
Der Mitarbeiter: „Von so einem Gerät habe ich aber noch nie gehört.“
Die Dame: „Wie kann das sein? Ich habe doch so einen.“
Der Mitarbeiter: „Meinen Sie vielleicht iPod? iPad? iPhone?“
Die Dame: „Ich habe es Ihnen doch gerade gesagt. Apple Touch. TATSCH. So geschrieben: T … O … U … G … H!“

(Danach musste ich leider dringend weg.)

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Es passierte nicht viel in Kalamaki auf Kreta, weshalb ich viel zu viel Zeit hatte, nicht viel aufzuschreiben

19.05.

Es haben irgendwelche Passagiere Gepäck aufgegeben, sind dann aber nicht an Bord des Flugzeugs erschienen, darum müssen die Gepäckstücke im Frachtraum aufgespürt und rausgeschmissen werden, weshalb sich der Start um beinahe eine Stunde verzögert. Auch stehen diverse Fluggäste auf und betreiben allerhand Blödsinn, als sich die Maschine schon auf dem Rollfeld in Startposition befindet, weshalb sich eine der Stewardessen genötigt sieht, „SOFORT HINSETZEN, IHR AMÖBEN!“ ins Mikrofon zu bellen. Nein, den Zusatz „IHR AMÖBEN“ läßt sie leider weg (ihrem Tonfall nach zu urteilen, muss sie sich dafür aber sehr beherrschen).

In Iraklio geht es beim Abholen unseres diesjährigen Mietjimnys ein wenig unübersichtlich zu, es wollen so einige Neuankömmlinge ihre Autos entgegennehmen. Eigentlich geht alles recht schnell, da zwei nette Mitarbeiter der Autovermietung unermüdlich umherflitzen, um den Ansturm zu bewältigen, dennoch ist der gemeine Tourist eher unzufrieden; eine bornierte ältere Frau sieht mich an und sagt: „Das ist ja Sodom und Gomorrha hier“, ich schaue nur verächtlich, drehe mich weg und ignoriere sie.

Am Abend in Kalamaki angekommen, serviert uns unser lieber Gastwirt M. ein Begrüßungsbier, anschließend heißt es aber, sich rasch auf den Weg zu machen, um im Ort ein spätes Abendessen einzunehmen. Wir gehen gerade um eine Häuserecke, als sich dort K. und W. vom letzten Jahr aus ihrem Mietauto schälen, wir so: „Ach!“, die so: „Ach!“, wir so: „Ach!“, die so: „Ach!“ usw. usf. Auch aus dem Auto steigt M., ihre Tochter, die nachgekommen ist und die sie gerade vom Flughafen abgeholt haben. K. und W. selbst sind schon seit ein paar Tagen da.
Anschließend gemeinsame Nahrungsaufnahme bei Aristidis, keine besonderen Vorkommnisse.

20.05.

Heute Abendessen bei Athivoles, wieder mit K., W. und M., wir trinken SEHR viel Wein, Bier und natürlich den Raki; es ist recht spät, als wir die Taverne verlassen, jedoch sind wir in Weitertrinklaune und fallen in den einzigen Laden ein, der heute um die Zeit noch auf hat: Aristidis. Der Wein hier ist deutlich plörriger als der eben, die anderen saufen ihn trotzdem, ich bleibe beim Bier. Wir können uns kaum noch auf den Stühlen halten und W. macht im Laufe eines musikalischen Fachgesprächs – über die härteren Spielarten der Musik – dröhnende Growllaute, die Belegschaft und die anderen Gäste schauen irritert und eingeschüchtert drein.

21.05.

Wieder mit allen zum Abendmahl zu Athivoles, denn gestern wurde uns leckere Ziege versprochen, die wir nun in Einzelteilen auf die Teller bekommen. Jedoch ist heute aus Gründen moderates Trinken angesagt. Früh ins Bett.

22.05.

Wir stehen spät am Abend eine Weile draußen herum und bekommen beim Betrachten des prächtigen Sternenhimmels Genickstarre. W. führt uns die tolle App auf seinem Smartphone vor, mit der er herumfuchtelnderweise den Himmel scannen und alle Sterne und Planeten namentlich bestimmen kann. Wir zeigen uns beeindruckt, geben unfachmännische Kommentare von uns und erwecken damit die Aufmerksamkeit von N., dem Besitzer von Aristidis ganz in der Nähe; weit voneinander entfernt ist hier ja nichts. Als wir in Richtung seines Restaurants schlendern, veranlasst er panisch seine Angestellten, schnell die Lichter zu löschen und die Türen zu verschließen.
Gehen wir eben zu unserem Domzil, zu M., um dort einen Schlummertrunk zu uns zu nehmen, ist eh gemütlicher da.

23.05.

Die Problemtaverne neben unserer Unterkunft existiert noch, hat aber noch nicht geöffnet. Der Wirt richtet sie nun schon seit einigen Tagen her und wird dies auch in den nächsten Tagen tun. Er orientiert sich thematisch neu und überstreicht die blauen Säulen, Pfosten, Tisch- und Stuhlbeine, passend zu den Ereignissen des letzten Jahres, mit blutroter Farbe.
Wiedereröffnung soll am Samstag, den 27.05. sein.

24.05.

K. und W. fahren erneut nach Iraklio zum Flughafen, zusammen mit Tochter M., um deren Freund F. abzuholen. Was ist nur los mit dieser Familie, deren Mitglieder fast alle einzeln und an unterschiedlichen Tagen ankommen?

25.05.

In unserem Reiseführer steht geschrieben, es gibt im Nachbarstädtchen Mires ein Kotelettrestaurant. A. will unbedingt da hin, leider ist es schwer aufzuspüren, da die Wegbeschreibung im Reiseführer für uns unverständlich ist und das Restaurant außen kein Schild angebracht hat, keinen Namen, nix. Vielleicht ist den Betreibern außer „Kotelettrestaurant“ nichts Gescheites eingefallen und das wäre wenig subtil.
Heute aber haben wir es gefunden, wir können wählen zwischen einer kleinen oder einer großen Portion Koteletts und zwei Salaten, ansonsten gibt es hier nichts anderes. Wir nehmen zwei große Portionen, mit kleinen halten wir uns in unserem Urlaub gar nicht erst auf. Auf dem einen Teller liegen drei Koteletts, auf dem anderen vier. Fairerweise muss aber erwähnt werden, sie sind ähnlich dünn wie sonst in Deutschland nur plattgeklopfte Schnitzel. Zudem sehr wohlschmeckend.

Der arme Fisch

Das habe ich doch gerade geschrieben: außer Koteletts können die hier quasi nichts (zum Beispiel Aquarien einrichten)

A. und ich sitzen im Bar-/Außenbereich unserer Herberge, mit Blick aufs Meer, welches gerade die glut- bis blutrote Sonne verschluckt hat, es dämmert, als plötzlich hinter uns ein verranzter dunkelblauer Ford Focus in die Strandpromenade einzubiegen versucht.
Es ist aber an dieser Stelle aufgrund der zahlreichen Sitzmöbel und Tische zu eng für ein Auto und somit unmöglich, mit diesem hier durchzufahren. Der Fahrer des Focus‘ will das trotzdem und berührt mit dem Stoßfänger schon eine Ecke einer Sitzbank in unserem Rücken, sie ist zum Glück unbesetzt. Er gibt weiter Gas, es ist der Wirt der Problemtaverne, der letztes Jahr von einem Messer niedergestreckt wurde, er sieht zornig und betrunken aus und trägt, ganz untypisch für ihn, ein langes, schwarzes Hemd. Es folgen laute Protestrufe von allen Seiten, zwei Gäste springen hastig von der Bank direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Autos, auf und zur Seite und er fährt los. Das zwar nicht sonderlich schnell, aber er rollt weiter und schleift dabei die Sitzgelegenheit hinter uns ein paar ordentliche Zentimeter mit, bevor sie sich wieder vom Auto löst und er nebenan, vor seiner Taverne, zum Stehen kommt.
Die Ereignisse überschlagen sich, B., der Besitzer der Herberge auf der anderen Seite unseres Domizils sieht auch schon vollkommen besoffen und streitsüchtig aus, er wird von einem seiner Mitarbeiter prophylaktisch ins Haus geschoben. Unser Gastwirt M. springt über seine Balustrade und geht dem inzwischen aus dem Fahrzeug ausgestiegenen, ganz in schwarz gekleideten Problemwirt an den Kragen und verpasst ihm zwei (aber eher andeutungsweise, denn wenn er richtig zuhaut, ist sein Gegner danach anzunehmenderweise handlungsunfähig), nach und nach strömen von allen Seiten und aus sämtlichen Gassen M.’s Verwandte und Bekannte herbei und versuchen, ihn zurückzuhalten, der Reklameaufsteller seiner Bar wird demonstrativ in die Wegmitte gestellt, es folgen lange, lautstarke Diskussionen. Der Problemwirt wird oder wirkt in seinen unheilfarbenen Klamotten im Laufe dieses Geschreis zunehmend blasser.
Es ist so, dass alle Wirte, Zulieferer etc. mit ihren Fahrzeugen generell einen anderen Zufahrtsweg benutzen, der, den der Mann in schwarz eben genommen hat, ist nicht dafür vorgesehen bzw. erlaubt. Normalerweise befand sich früher auch am Anfang des Weges ein auf einem Poller befestigtes Einbahnstraßenschild, es liegt nun aber meistens irgendwo an der Seite im Staub, da sich eigentlich so oder so jeder daran hält.
Später am Abend aber präsentiert der schwerbetrunkene B. das Verkehrszeichen, frisch gesäubert, lehnt es symbolisch gegen einen Blumenkübel vor der Problemtaverne, hebt es nochmal hoch, rammt es auf den Asphalt, lehnt es wieder gegen den Kübel, nickt dreimal zufrieden, er brummt, grummelt und wankt dabei.
Am nächsten Morgen wird sich das Schild wieder an seinem Platz befinden, nun festgekettet.

26.05.

Wir befinden uns in unserer bevorzugten Frühstückslocation, es ist recht angenehm, 23°, leichte Brise; M., die Wirtin trägt heute eine Strickjacke mit Twin-Peaks-Muster

Ein älterer, hagerer Mann setzt sich unweit von uns an einen Tisch, raucht eine nach der anderen und hustet dabei viel. Einige Zeit später stößt seine Frau Gemahlin dazu und macht sich wegen seines Hustens Sorgen, sie fragt ihn: „Hast du jetzt schon so viel geraucht?“, „Noi, noi“, antwortet er. Klug folgert sie, der Wind muss der Auslöser für den schlimmen Husten sein, weshalb sie den Kellner fragt: „Can you please put, äh, äh, äh, the Schutz for the wind?“ (alle Läden hier besitzen grundsätzlich Vorrichtungen mit großen durchsichtigen Plastikplanen, die bei Wind oder sonstigem Bedarf heruntergelassen werden können), kann er aber aus irgendwelchen Gründen gerade nicht, weshalb sie sich an einen anderen Tisch setzen, der allerdings genauso ungeschützt der leichten Brise ausgesetzt ist wie der andere zuvor.
Nur weil ich dies aufschreibe, heißt das nicht zwingend, dass ich es verstehe.

28.05.

M. und F. reisen schon wieder ab – und werden von K. und W. zum Flughafen gefahren. Eine Fahrt dorthin dauert eine Stunde (aber nur, wenn’s gut läuft), sie machen diese beeindruckend oft, es muss sich hierbei also um eine Art Flughafenfetisch handeln.

29.05.

Es ist nachmittags, A. und ich befinden uns in der Bar unseres Domizils, Stammgast T. und Jungkellner A. sind inzwischen auch da. A. war ein halbes Jahr in Deutschland, er hat dort einige neue Worte gelernt: „doch“ (Wahnsinn), „alter Falter“ (gähn) und „Wichserreibe“ (???).
Auf einmal besteht Wirt M. darauf, mit mir zu reden, er winkt mich zu sich und sieht dabei sehr ernst aus. A., A. und T. raunen und ich erinnere mich, wie er neulich dem Problemwirt ein paar geballert hat und schlucke. M. krempelt seine Ärmel hoch und, noch absurder, auch seine Hosenbeine. Letzteres bedeutet anscheinend auf griechisch, haha, alles nur Spaß; er möchte mir nämlich nur seinen Fernseher mit den frisch installierten Programmen vorführen, der kann jetzt auch deutsche, Bundesliga und ähnlichen Quatsch. Ich sage: „Very good“, was soll ich auch sonst dazu sagen.

Auf dem Zimmer, Vorsonnenuntergangsdusche, von irgendwoher erklingen schräge Töne, eine griechische Livekapelle macht Soundcheck. Es hört sich furchtbar an und es ist laut.
Wieder unten stellt sich heraus, die Problemtaverne hat mit zwei Tagen Verspätung eröffnet. Drinnen stehen die Musiker immer noch beim Soundcheck oder sie spielen nun schon zum ca. 36. Mal dasselbe Stück; bei einem derart schiefen Gedudel kann ich das nicht auseinanderhalten. Wie das wohl Gäste anlocken soll, frage ich mich (bislang funktioniert es offensichtlich nicht gut) und setze mich auf die Bank, die der Problemwirt vor ein paar Tagen noch angefahren hat. Herbergsvater M. lässt sich neben mir nieder und fragt sich und mich, wie das wohl Gäste anlocken soll. Danach sitzen wir eine ganze Weile schweigend nebeneinander und fragen uns das beide.

Wenig später, meine Sitzgruppe besteht nun aus A., K., W. und mir, von den hier mannigfaltig vertretenen, zahlreich herumstreunenden Katzen hockt eine zu unseren Füßen, als ein bierbäuchiger Langhaariger mit seiner faltigen weiblichen Begleitung mit schwarzen Fusselhaaren sie erblickt und der Alkohol aus ihm spricht: „Oh, a cat!“, dabei torkelt er ordentlich, seine Begleitung hängt mit einem Arm irgendwie an ihm dran und wir sind ob dieser Aussage völlig baff. Danach taumeln sie in die Problemtaverne und feiern die Eröffnung, sie tut dies mit einem Ausdruckstanz irgendwo zwischen Freestyle und modernem Tanztheater.

30.05.

Habe versucht, mich während der ersten Tage des Urlaubs mit der zuhause begonnenen Lektüre des Gesamtwerkes Franz Kafkas (Stand: ca. 25 demotivierende Prozent auf dem E-Reader) zu beschäftigen, aber eine dümmere Idee kann man in einem sonnendurchfluteten Entspannungsurlaub kaum haben. Es ist vielmehr Zeit für etwas seichteres, daher lade ich mir die Autobiografie des Musikers Slash auf das Gerät.
Heute ist Strandtag, passend zur Lektüre höre ich mehrere Alben von Guns N‘ Roses hintereinander über Kopfhörer weg. Ich muss mich schwer zusammenreißen, um nicht spontan meine Liege anzuzünden, sonstwie kaputtzumachen oder wenigstens auf ihr herumzubouncen.

Take me down to the paradise city where the grass is green and the girls are pretty

Er liest nur

31.05.

Angetrieben von für uns nicht nachvollziehbaren dunklen Mächten, zieht es uns Jahr für Jahr zu einer gewissen Ziegen(ok)kultstätte, diesmal nehmen wir als Verstärkung und moralische Unterstützung erstmalig K. und W. mit.
Umweltpolitisch mindestens bedenklich, eimern wir, aufgeteilt auf zwei Fahrzeuge, die steile Zickzack-Straße hoch. Am Ziel angekommen, ist alles viel schlimmer als im letzten Jahr: Ziegenschädel und -gebeine mit Haut- und Fellfetzen sowie ganze Kadaver in den unterschiedlichsten Verwesungsstadien erwarten uns; eine komplette, teilmumifizierte Ziege hängt sogar in einem Baum.
Die Wahrnehmung spielt uns angsterregende Streiche und in jedem ungewöhnlich geformten Busch oder Felsbrocken sehen wir fürchterliche und missgestaltete Kreaturen. Dem Wahnsinn nahe, springen wir hysterisch im Kreis und fotografieren jeden Scheiß.

Wenige Kilometer weiter halten wir auf der Rückfahrt an einem verlassenen Grundstück mit mehreren leerstehenden Gebäuden, es ist ein Endzeitszenario, in dem einzig die Ziegen überlebt und gewonnen haben: aus den Kabinen eines Klohäuschens strömen Ziegen, als ich mich ihm nähere, aus der Kabine mit dem behindertengerechten Klo hinkt eine.

In einem Gebäude mit einer Art Doppelkuppeldach lauern nebenan im Halbfinsteren mehrere Ziegen (zwei), die irre herausgeschossen kommen, als W. und ich einen Blick hineinwerfen. Drinnen stinkt es überwältigend nach unaussprechlichen, grauenvollen Dingen.

02.06.

Ich fahre wegen diverser zu machenden Besorgungen erst nach Mires, dann nach Tymbaki, wo ich das Auto in einer Seitenstraße abparke und aussteige. Nach ein paar Metern zu Fuß passiert mir der Klassiker: auf ihrem Moped nähert sich von hinten eine verruchte Gestalt, die versucht, mir meine Tragetasche von der Schulter zu reißen. Es ist aber nur Jungkellner A., ebenfalls auf Besorgungstour, der witzig sein will. „Were you afraid?“, fragt er mich. „Yes“, sage ich.

Später, zurück in Kalamaki, sitzen vor unserem Domizil V. und C., sie sind gerade eben angereist und trinken Bier. V. kennen A. und ich von früher aus Deutschland, wir haben sie jedoch seit sechs oder sieben Jahren nicht mehr gesehen. C. ist uns noch unbekannt, egal, ich hole mir ein Kennenlernbier. Es bleibt nicht bei einem und irgendwann ordert C. uns einen Ouzo nach dem anderen.
Abends finde ich mich berauscht und verwahrlost in einer Pizzeria wieder, jetzt mit A., K. und W.

03.06.

K. und W. sind völlig begeistert von der Saftpresse in dem Zimmer ihrer Unterkunft: sie sei äußerst ergonomisch und das Pressen der hiesigen, sehr leckeren Orangen ginge leicht von Hand, behaupten sie.
Heute sind wir mit den beiden in Mires unterwegs, es gilt, diese sagenumwobene Saftpresse in einem Geschäft oder auf dem Markt ausfindig zu machen. Wir betreten jeden Supermarkt der Stadt, jedoch finden wir immer nur Pressen einer anderen Marke, je nach Geschäft beträgt die Preisspanne 1,50 bis 3,50 Euro.
„Die ist aber nicht so ergonomisch wie die vom Zimmer“, sagt W.
K. meint: „Lass uns die doch einfach trotzdem nehmen“.
W. widerspricht: „Nein“, usw.
Die Entscheidung wird vertagt und wir gehen erstmal in einem uns wohlbekannten Lokal Souvlaki essen.
Dort sitzt wie immer draußen der uralte Mann, er grüßt uns, geht aber nach einer Weile nach hinten in seine Wohnung, wir können ihn dort durch die riesige Fensterfront herzhaft gähnen sehen. Bevor er aber zur Ruhe kommt und seinen Mittagsschlaf halten kann, muss er erst einige Fliegen töten, er tut dies, indem er mit einer handförmigen, schrillgrünen Fliegenklatsche mehrmals kräftig gegen die Scheiben patscht.
Nach dem Mahl beschließen K. und W. nun doch, die nicht ganz so gute Saftpresse zu kaufen, sie holen sie aber gleich dreimal ein, denn „sie eignet sich gut als Mitbringsel“.
Unsere Wege trennen sich, A. und ich fahren zurück nach Kalamaki, sie zu einem Supermarkt weiter außerhalb der Stadt, immer noch mit dem Ehrgeiz, das „originale“ Modell aufzuspüren.
Einige Zeit später schickt mir W. eine Whatsapp-Nachricht, sie haben die richtige noch gefunden und zusätzlich zweimal gekauft. Das klingt komisch, ist aber so.

© W.

04.06.

K. und W. fahren einmal mehr zum Flughafen, diesmal leider, um sich selbst wegzubringen.
Sechs Flughafenfahrten und fünf Saftpressen, Mann, Mann, Mann.

05.06.

Als wir morgens das Zimmer verlassen, begrüßt uns unser M. mit den Worten: „What happened? Did you shit in the toilet?“, er kann manchmal so herrlich direkt sein. Er möchte vor allem aber unsere Reaktion darauf testen, denn heute gibt es seit geraumer Zeit kein fließend Wasser mehr und das Problem könne wohl erst im Laufe des Nachmittags behoben werden. Wie wir ihm versichern, ist das Wasser in unserem Raum aber eben noch gelaufen, „Well, then in your room it’s magic“, entgegnet er (wenig später sollte aber auch in unserem Zimmer kein Tropfen mehr kommen).
Wir sitzen mit V. und C. beim Frühstück, auch sie haben in ihrem Zimmer kein Wasser, ringsherum sitzen Leute, die sich trotz dieser alarmierenden Zustände erstaunlich gelassen verhalten, nur vereinzelt gibt es Meckerdeppen. „Das (Zimmer) kann er (M.) für heute nicht berechnen, das kann er nicht berechnen, nein, kann er nicht, das wird er auch nicht, nein, wird er nicht …“, wiederholen sie sich.
Ich frage mich, ob wir schon auf Spiegel Online sind: „Wassernotstand im Süden Kretas – Ein Dorf stinkt“.

A. und ich machen eine Ausfahrt, um dem Elend zu entfliehen, unter anderem in einen Fun Park. Der Fun besteht hier aus zwei Swimming Pools, wovon allerdings nur einer befüllt ist. Der spektakulärere, weil mit kleiner Wasserrutsche versehen, ist inaktiv und leer. Hier gibt es also noch Wasser, wenn auch nur teilweise.

Am frühen Abend, zurück in Kalamaki, das Wasserproblem ist Geschichte, werden Körper erleichtert und es wird ausgiebig geduscht. Im Zimmer nebenan wohnt zurzeit eine Familie mit zwei Kindern im Teenageralter, letztere sind noch am Strand, der Vater sitzt auf dem Balkon und die Mutter befindet sich drinnen, im Zimmer.
„Ich habe gerade Blähungen ersten Grades“, ruft sie heraus, an ihren Mann gerichtet. Er stöhnt.

06.06.

A. und ich fahren nach Lentas, einem verschlafenen Ort mit einem schönen Strand und mehreren Tavernen, zur Rechten begrenzt ein löwenförmiger Felsen die Bucht.
Für die Rückfahrt sucht A. uns eine alternative Strecke raus, es handelt sich um die beste Schotterpiste der Welt. Ab einem gewissen Punkt wird sie sogar so fantastisch, dass wir überlegen, ob wir nicht besser wenden sollten (mit dem Jimny!), entschließen uns aber doch dazu weiterzuzuckeln. Es wird immer grandioser, ständig im ersten Gang die bröckelnde „Straße“ hoch, wir setzen sogar einmal auf (mit dem Jimny!).

Am Abend wirken M. und seine Leute aufgedreht und nervös, weil sie gehört haben, sein Nachbar, der Problemwirt, hat sich einen LKW geliehen, mit dem er später vor seine Taverne fahren will, um Dinge ein- oder auszuladen.
„And if he passes here, there will be a big fight“, verspricht uns M. und deutet auf den Wegbereich vor seiner Bar.
„Oh, not again“, erwidere ich.
Der Laster fährt, den richtigen Weg nehmend, vor und hält vor der Problemtaverne, es werden eine Menge Sachen, Leichenteile oder ähnliches eingeladen, wir können nichts davon sehen, da das Fahrzeug mit dem Führerhaus zu uns gerichtet steht. Nichts Tolles geschieht, no big fight, gar nichts, langweilig.

08.06.

Ich kehre von unserer bevorzugten Frühstückslocation zur Unterkunft zurück, M. ist gerade dabei, volle Orangenkisten von der Ladefläche eines Pick-ups auf eine Sackkarre zu stapeln und diese damit nach und nach vor seine Bar zu bewegen, von wo sie anschließend ein paar Stufen hochgetragen werden müssen.
Er erblickt mich und erkiest mich zu helfen, „K. help!“, ruft er. Stammgast T. ist plötzlich auch da, als just V. und C. um eine Ecke biegen und eine Angestellte von M. auftaucht, alle müssen wir helfen, die Kisten zu tragen. Insgesamt sechs Leute für neun oder zehn Orangenkisten, das ist nicht zu viel schweißtreibende Arbeit an diesem sehr warmen Vormittag. Was M. aber nicht davon abhält, uns allen (außer seiner Angestellten) zur Belohnung ein Bier spendieren zu wollen, wir wedeln alle ablehnend mit den Händen, weil zu früh, zu warm, zu mimimi etc. Aber nur solange, bis er böse wird, danach traut sich keiner mehr zu protestieren. Einzig T. bleibt standhaft und mutig, schließlich kennt er M. schon seit ca. zwanzig Jahren und ordert eine Limonade, weshalb M. ihn verhöhnt und wüst beschimpft, prost.

09.06.

Während A. und ich in der von uns dafür bevorzugten Location ein letztes Frühstück einnehmen, fährt vor der Problemtaverne die Polizei vor. Aber nicht wegen seiner Amokfahrt neulich, sondern weil der Wirt wohl keine Genehmigung hat, den Laden zu betreiben, macht sie ihm diesen wieder dicht.
Egal, wir haben jetzt keine Zeit mehr, uns mit diesem Mist auseinanderzusetzen; wir müssen nach Hause.

Liebe Grüße an A., K., W., M., F., V., C., M., A., T., M. usw.

Bonus: ein niedliches Katzenfoto

Hitlerchen war uns in den drei Wochen ein mehr oder weniger treuer Begleiter, aber für Kätzchen mit fragwürdiger Gesinnung gibt es bei uns generell nichts zu holen

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Unzufrieden

Gestern, vor unserer Hauseinfahrt, ich war im Begriff loszugehen, um die ca. eineinhalbspurige, typische Wohngebietsstraße zu überqueren, wartete ich lieber erst einen Moment, da gerade ein Hermes-Van heranrauschte. Dieser wollte aber gar nicht mit überhöhtem Tempo dem weiteren Straßenverlauf folgen, stattdessen blickte mir der gestresste Fahrer durch die Windschutzscheibe völlig genervt ins Gesicht, hielt, ohne vorher den Blinker gesetzt zu haben, halbwegs auf mich zu, fuhr mir dabei beinahe über die Fußspitzen und das, weil er eilig in die Parkbucht zu meiner Rechten wollte. Ich trat gegen den mit Dreck verschmierten Kackbus und ging endlich los, ohne mich nur einmal umzusehen.
Hinterher erst wurde mir Schlaubi klar, dem Hermes-Fahrer war es scheißegal, als ich gegen seine Karre trat, die gar nicht seine in dem Sinne war, vielmehr hätte ich ihn, anstelle des lächerlichen Trittes, verbal schön versohlen sollen. Ich war unzufrieden, handelte es sich hierbei doch nicht um eine meiner besten Aktionen.

Heute, ich überquere gerade per pedes eine Tankstelleneinfahrt, die über den Gehweg führt. Den größten Teil des Weges über die Einfahrt habe ich bereits hinter mich gebracht, trotzdem fährt eine dieser bananenförmigen, mattschwarzen Prollmercedeslimousinen sehr knapp vor mir durch, die Räder mit den Protzfelgen gefährlich nahe an und zu meinen Füßen. Aus dem Beifahrerfenster sieht mich sehr, sehr böse eine schrankförmige Blondine mit mehreren blutig aufgekratzten Hautproblemen an, den Fahrer kann ich aus dieser Perspektive nicht ausmachen, es wird sich bei ihm schon um so einen Klischeehallodri handeln. Wenn ich dem gegen das Auto trete, interessiert ihn das ganz sicher; ich besinne mich aber eines Besseren, denn er ist möglicherweise ohnehin gestraft genug und außerdem schaltet sich mein Überlebensinstinkt ein.
Trotzdem bin ich unzufrieden, weil nix gemacht, quasi machtlos, blöd.

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SIE

Ich: „Und dann hätte ich noch gerne ein Stück von diesem Käse dort. Wie groß ist denn das abgepackte da?“
SIE legt es auf die Waage, es wiegt 190 Gramm.
Ich: „Hm. Ein wenig mehr darf’s dann schon sein. Schon so 200, besser 250 Gramm.“
SIE legt das Stück zurück, geht nach nebenan, wo sich in einem Regal anscheinend noch mehr abgepackte Stücke dieses Käses befinden. Sie kommt zurückgewackelt, legt ein Stück auf die Waage. 190 Gramm. SIE fragt: „Dieses dann?“
Ich (fassungslos, völlig am Ende): „…“

Ich frohlocke dann ja schon, weil SIE für meinen Wunsch extra und ächzenderweise aus dem halben Laib etwas herausschneiden muss, das hat SIE verdient, das geschieht IHR recht, jawollja, take this usw. Damit fertig, präsentiert SIE stolz ein Stück. Ein Riesenstück, welches schätzungsweise 400 bis 500 Gramm wiegen dürfte. Ohne es abgewogen zu haben, fragt SIE: „Dieses dann?“

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Huldigt der Bio Company!

Man kann von der Bio Company halten, was man will, aber in der Filiale, in der ich in der Regel Waren einhole, herrscht stets Endzeitstimmung. Das liegt daran, weil es sich beim Arbeitgeber anzunehmenderweise um einen schlimmen Sparer handelt (oder um etwas noch fieseres), der Laden deswegen chronisch unterbesetzt ist und die Verkäufer viel zu viel Arbeit pro Person haben. Da dort aber die langsamsten Zombies beschäftigt sind, die man sich nur vorstellen kann, können beziehungsweise wollen diese den ganzen Kram gar nicht zur Kundenzufriedenheit erledigen. Wir reden hier in der Tat von den langsamen, schlurfenden Zombies der sehr altmodischen Romero-Sorte und nicht von den modernen, schnelleren. Ich bin das schon gewohnt, aber ab und zu toppt der eine oder die andere nochmal alles bisher schon Erlebte, aktuell ist es die neue, beschränkte Verkäuferin (klein, schon etwas älter, unvorteilhafte Brille) am kombinierten Käse-, Wurst- und Fleischtresen. Im Folgenden einige Anekdoten.

Ich stelle mich an den schon erwähnten Tresen, ich bin dort alleine, ganz alleine. Die Verkäuferin steht mit dem Rücken zu mir und bewegt die Rolle mit der Klarsichtfolie von links nach rechts. Nein, doch lieber wieder ein wenig nach links zurück. Ich spiele unterdessen auf dem Smartphone herum, Facebook, E-Mail, das Übliche – der normale Zeitvertreib des Digitalsüchtigen. Sie putzt analog die Messer, wischt einige Schneidebretter, wickelt Folie um Behälter, sie tut diese Dinge, weil sie Zeit hat, da kein Kunde ansteht. Kein einziger? In der Zwischenzeit könnte ja … Sie sieht sich um, ich neige meinen Kopf ein wenig zur Seite, um so ihre wertvolle Aufmerksamkeit zu erheischen. Aber nein, sie steht anschließend wieder mit dem Rücken zu mir und bewegt die Rolle mit der Klarsichtfolie von rechts nach links. Nein, doch lieber wieder ein wenig nach rechts zurück. Ich spiele auf dem Smartphone herum, aus lauter Verzeiflung schmeiße ich Pokémon Go an. Sie putzt die Messer, wischt einige Schneidebretter, wickelt Folie um Behälter, sie tut diese Dinge, weil sie Zeit hat, da nur ein Kunde am Verkaufstresen ansteht. Nur einer? Na gut, sie fragt trotzdem mal nach: „Wollen Sie hier was?“.
Aufgrund dieser Frage doch sehr perplex, vermute ich, ich werde darauf etwas schlagfertiges, unter Umständen sogar recht böses antworten, wahrscheinlich kommt aber nur ein lasches „äh Komma ja Fragezeichen Ausrufezeichen“ dabei raus: „Äh, ja?!“
Danach ein recht normaler Verkaufsvorgang, ich bin für Sprüche einfach zu verdattert.

Ein anderes Mal, einige Tage später. Diesmal stehe ich alleine auf der Käseseite des kombinierten Käse-, Wurst- und Fleischtresens. SIE ist wieder da, lächelt, freut sich offenbar, mich wiederzusehen und diesmal kann es ihr gar nicht schnell genug gehen, mich zu bedienen. Was mich auch schon wieder irritiert. Ich verlange ein Stück Le Grande Ribeaupierre und zwar eins, was deutlich größer sein soll als die beiden schon fertig abgepackten, die auf dem halben Laib besagten Käses liegen. Souverän packt sie eines der abgepackten Stücke auf die Waage, ihr Blick durchbohrt prüfend die Anzeige. Ich seufze schon mal innerlich. Dann nimmt sie das andere abgepackte Stück, wiegt es und laut Anzeige handelt es sich hierbei um das größere. Sie fängt an, es verkaufsfertig in Extrakäsepapier zu wickeln. Wie zur Salzsäule erstarrt, sehe ich ihr dabei zu, ich will etwas sagen, aber ich kann es nicht, ICH KANN ES NICHT; ein Gummihämmerchen klopft von innen gegen meine Schädeldecke. Dann auf einmal doch: „ICH SAGTE, ähm, ich sagte, ich möchte ein Stück, welches deutlich größer ist als die beiden schon fertig abgepackten!“
„Ach so.“
Danach ein recht normaler Verkaufsvorgang, ich verlasse anschließend den Ort in einer mir unwürdigen Knick-Senkhaltung.

Das bisher letzte Mal. Ich stehe jetzt bei Wurst und Fleisch, wieder alleine (ganz eindeutig bin nur ich so blöde, hier immer wieder einzukaufen). Heute lässt sie mich wieder warten. Ein anderer Mitarbeiter (einer von den guten!) schaut vorbei und sagt ihr, sie solle später noch dies und jenes tun und außerdem warte da ein Kunde am Tresen. Dann geht er wieder. Als ich „dran bin“, sage ich ihr, ich möchte ca. 450 Gramm Hähnchenbrust. Sie packt einen Fleischlappen auf die Waage, er wiegt ca. 220 Gramm; ich denke: „Ein Glück, das wird heute einfach.“
Sie legt ein zweites Stück dazu, insgesamt haben wir nun genau 400 Gramm. Ich muss wegen der möglichen anstehenden Komplikationen fast weinen und sie teilt mir mit: „Also, ich kann jetzt noch ein Stück dazu nehmen, dann wird das aber viel mehr.“
„N … n … nehmen Sie doch, ganz simpel, das zweite Stück wieder weg und tun dafür ein etwas größeres drauf.“
„Oh.“
Gesagt, getan, 460 Gramm. „Sehen Sie, ist doch ganz leicht!“, entfährt es mir geringfügig zu laut. Der Mitarbeiter von eben steht wieder in der Nähe herum und bekommt alles mit, was ich jetzt erst bemerke; fast tut sie mir deswegen ein bisschen leid.
Wechsel zur Käseseite, die schon abgepackten Stücke Le Grande Ribeaupierre sind wieder sehr filigran geraten, ich hole tief Luft und will zu meinem Spruch ansetzen. „Sie wollen sicher wieder ein größeres?“, kommt sie mir zuvor. Ich atme betont freundlich aus: „Ja, gerne.“

Ist sie also gar nicht so beschränkt? Lernt sie etwa dazu? Wird sie entlassen werden? Oder wird sich alles zum Guten wenden? Es bleibt dermaßen spannend. Viva la Bio Company!

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