18.05.
Das Flugbegleiterinnenteam ist die reinste Comedytruppe. Bei den Sicherheitshinweisen, als es darum geht, wenn bei einem Druckabfall die gelben Atemdinger runterfallen, heißt es zum Beispiel: „In diesem Fall ziehen sie bitte eine der Masken zu sich heran und drücken Sie die Öffnung fest auf Mund und Nase. Danach setzen Sie sie Kindern auf. Falls Sie mehrere Kinder haben, dann wählen Sie doch einfach zuerst Ihr Lieblingskind aus.“
Später bildet sich vor der vorderen Toilette eine für die Stewardessen lästige Schlange aus wartenden Touridoofis, egal ob sie aus dem vorderen oder dem hinteren Bereich des Fliegers aufgestanden sind. „Meine Damen und Herren, um Engpässe zu vermeiden, benutzen Sie bitte auch die Toilette im hinteren Teil des Flugzeugs. Außerdem befindet sich das vordere Klo in unserer … KÜCHE.“
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Dieses Mal haben A. und ich den Jimny bei einer Firma gemietet, mit der wir noch keine Erfahrungen gesammelt haben. Es läuft alles reibungslos ab und das Auto ist knallrot und hat ein Faltdach. Als wir losbrettern, fällt mir auf, der Tachometer funktioniert nicht, das heißt, egal wie schnell wir fahren, wir bewegen uns praktisch immer mit Tempo 0 fort. Kurze Debatte mit A. darüber, ob wir Punkrock oder den Das-Geht-So-Nicht-Deutschen machen. Wir drehen um und machen den Das-Geht-So-Nicht-Deutschen. Wir ernten vollstes Verständnis von den Mitarbeitern der Autovermietung, wenigstens tun sie so als ob.
Der knallrote, mit einem Faltdach versehene Ersatzjimny fährt sich geringfügig besser, die Pedale sind noch nicht derart durchgelatscht wie die des anderen. Der Tacho funktioniert auch, jedoch die Lüftung nicht. Es ist sehr warm.
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K. und W. sind selbstverständlich auch wieder da und das schon seit zwei Tagen.
Noch während unseres späten Abendmahls bei Aristidis stoßen die beiden zu uns, die Freude ist groß, möglicherweise etwas zu groß, denn wir ballern uns anschließend mit viel zu viel Bier und Raki hemmungslos die Birnen weg. N., der Chefkellner des Restaurants, setzt sich kurz zu uns und ballert mit. Er erzählt viel, irgendwie wurde er früher mal in Deutschland geboren, weswegen er alles auf Bröckchendeutsch aufsagt; die am häufigsten genutzte Phrase dabei lautet „gutes Geld“.
Er muss dann noch was arbeiten und wir trinken dummerweise weiter. Viel später sagt er uns, wir sollen, wenn wir gehen, wenigstens das Licht der Außenterrasse löschen, denn er fährt jetzt nach Hause.
Machen wir. Allerdings sind wir nun vollkommen zerstört, kaputt und nicht mehr lebensfähig. Der gesamte Urlaub ist im Eimer, futsch, aus und vorbei.
19.05.
Ich werde absurderweise früh wach und schleife A. nach unten zum Frühstück, die sich danach aber wieder hinlegt.
Mein Schädel brummt auch, dennoch mache ich eine Ausfahrt mit dem Jimny.
Ich lande völlig woanders als da, wo ich eigentlich hinwollte und irre orientierungslos in der Gegend herum; mein Wasserproviant wird allmählich knapp. Eine lädierte Melone liegt mitten auf der Straße, ich denke darüber nach, sie auszusaugen, aber sie ist sicher schmutzig, denn so, wie sie aussieht, wurde sie wahrscheinlich zuvor von einem Auto angefahren. Ich mache einen Schlenker drumherum, überlege aber, zurückzusetzen, um sie zu überfahren und sicher sein zu können, dass sie auch wirklich tot ist.
Während also meine Gedanken wirr werden, fällt das Internet aus, ich kann mich nicht navigieren lassen und wackle verloren und verstört hässliche Straßen im ersten Gang entlang, fluchend den verzweifelten Blick immer wieder auf den kläglichen Wasserrest in der Flasche neben mir gerichtet. Während ich so austrockne, frage ich mich, wie früher sowas komplett und generell ohne Internet funktioniert haben soll.
Oh, da ist es ja wieder, eilig lasse ich mich aus dieser Ödnis herausmanövrieren.
Nochmal knapp den Sensenmann ausgetrickst, sozusagen.
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Abends bierseliges Fußballgucken, Bayern unterliegt Frankfurt 1:3, anschließend bei weiteren Bieren spätes Festlabern mit W. über die AfD und ähnliche, brunzblöde Dinge.
20.05.
Es ist schon nach Mitternacht, als A., K., W. und ich von einem Abendessen in einem anderen Dorf aus diesem zurückkehren und wieder in Kalamaki einfallen.
K. ist müde und geht gleich zu Bett, es haben sowieso schon fast alle Tavernen und Bars Feierabend. A., W. und ich bemerken aber, bei Aristidis brennt noch Licht. Auf dem Weg dahin stolpert aus der Problemtaverne, die aus unerfindlichen Gründen wieder da ist / immer noch geöffnet ist / für immer existieren wird, ein hagerer, vollbesoffener Mann, der mit akrobatischen Ausfallbewegungen versucht, sich und einer großen Kübelpflanze gleichzeitig eine erstaunlich dicke Jacke anzuziehen.
Bei Aristidis fragen wir N., ob wir jeder noch ein Bier bekommen können. Können wir.
N. setzt sich zu uns und er will uns ständig Raki einschenken, obwohl er gerade erzählt, Raki und Bier zusammen seien keine gute Kombination für den Kopf (Wein und Raki aber gingen zum Beispiel). Wir lehnen ab, aber irgendwie schafft er es trotzdem, dass wir zwei, drei Gläser davon trinken müssen.
Ein älterer Mann kommt vorbei und bleibt vor unserem Tisch stehen, er erklärt uns, er sei 70 Jahre alt und Ire; auch er bekommt noch ein Bier. Er singt uns ein deutsches Trinklied vor, welches wir weder vorher selbst gesungen haben, noch jetzt hören wollen, geschweige denn kennen. Wir lächeln verhalten und er beschließt für sich, mit uns ist nichts los und zieht daher lieber zu dem Jungvolk in der benachbarten, auch noch geöffneten Bar um, wo es ein großes Hallo und Gelächter gibt.
N. berichtet uns noch ein paar unzusammenhängende Dinge über Lammfleisch und die unterschiedlichen Preise überall dafür, bevor er sich in die Schwärze der Nacht empfiehlt.
Wir trinken aus, wir wünschen wohl zu ruhen.
21.05.
In hiesigen Supermärkten finden sich Gesellschaftsspiele für Kinder, die teils auf historischen griechischen Heldensagen beruhen (wer kennt sie zum Beispiel nicht, die berühmte Geschichte, in der Herakles gegen den Spaghettiyeti antreten musste), …
… aber auch solche, bei denen sich alles um moderne Errungenschaften wie die Toilette und deren Spülung dreht, …
… einfach eine herrliche Sauerei, bei der kein Nachwuchsauge trocken bleibt!
Für die intellektuelleren Kinder, die das alles Scheiße finden, gibt es immerhin die Möglichkeit, aus ebendieser Gold oder vielmehr Geld zu machen
22.05.
Morgens sind die Schädlingsbekämpfer im Ort und versprühen ihr Gift.
Als sie im Laden des Problemwirtes zugange sind, strömen aus diesem, anstatt wie sonst nur nervtötendes, viel zu laut aufgedrehtes traditionelles Gefiedel oder schwerstbetrunkene Menschen, zahlreiche dicke Kakerlaken, wie in einem dieser schlimmen Filme.
Einzig sein direkter Nachbar, unser Gastwirt M. amüsiert sich, er sagt ab und zu: „this crazy man“ und lacht sich scheckig, bevor er einzelne der fetten Viecher tottritt, um sie anschließend mit Handfeger und Schaufel in einen Mülleimer zu befördern.
23.05.
Bei unseren bisherigen, zaghaften Autotouren sind uns zahlreiche Schilder aufgefallen, die auf einen „Mega Cretan Theme Park“ hinweisen.
Dieser wurde neu errichtet und bei allem, was „mega“ ist, sind wir dabei, also fahren A., K., W. und ich, wie so oft ökologisch fragwürdig aufgeteilt auf zwei Fahrzeuge, dorthin.
Beim Aussteigen aus dem Auto muss A. leider feststellen, sie hat ihre Tasche mit allem Wichtigen drin vor dem Losfahren auf einer Sitzbank vor einem Supermarkt liegen lassen. Panik macht sich breit, sie muss schnell den ganzen Weg zurücktuckern, während K., W. und ich uns ungerechterweise megamäßig im Theme Park zu vergnügen versuchen.
Zu sehen bekommen wir megaheimische Kräuter, Megatiere in mega zu kleinen Käfigen, gefolgt von einem Megaausstellungsbereich über megatraditionelle Berufe und abschließend führt ein Meganaturpfad ins Giganirgendwo. Wir brechen ab, irgendwann während all dieser Zeit ist auch A. mitsamt ihrer Tasche (es fehlt nichts) zurückgekehrt, aber für sie lohnt es sich nicht mehr, den Mega Theme Park zu besuchen, denn er schließt bald.
Megafazit: alles eher so mittelprächtig mega.
Das passiert übrigens bei dem Versuch, dem Megagetränkeautomaten inmitten des Mega Theme Parks ein Megagetränk zu entlocken
24.05.
Heute ist entspanntes Frühstücken mit anschließendem Am-Strand-Faulenzen angesagt, es sollte aber alles ganz anders kommen und dieser Morgen zum stressigsten Urlaubsmorgen aller Zeiten werden.
Kaum haben A. und ich in der bevorzugten Frühstückslocation Platz genommen, teilt mir unser Gastwirt M. von weitem per Zeichensprache mit, ich solle dringend den Jimny von dort wegfahren, wo wir ihn zuletzt abgeparkt haben.
Denn Wirt B. weigert sich, für diesen Parkgrund direkt neben seinen Studios zu bezahlen, obwohl er ihn gerne für sich selbst sowie seine und auch andere Gäste nutzt, deshalb machen sie ihm diesen unter Zuhilfenahme mehrerer hübscher Bauzaunelemente jetzt dicht und vorher muss logischerweise unser Auto da weg.
Also fahre ich los, da ich aber keine Lust habe, aufgrund des inzwischen chronischen Parkplatzmangels im Ort ewig herumzueiern, nehme ich ein paar Meter weiter die engste Parklücke der Welt. Das bedeutet einiges Herumzirkeln und ein Tourist wartet mit seinem Wagen, da ich mit meinem noch schräg stehe, allerdings nicht so schräg, dass er nicht locker hätte daran vorbeifahren können. Obwohl ich ihn vorbeiwinke, schaut er mir lieber minutenlang zu, bis ich komplett eingeparkt habe. Soll er doch, mir egal, dummer Penner.
Später sollten dann eigens dafür hübsch vor dem Bauzaun drapierte Topfpflanzen und ein Mülleimer die hässliche Leere des ungenutzten Platzes dahinter vertuschen
Wieder am Frühstückstisch hingesetzt, nehme ich einen Schluck von meinem Tee und einen Löffel von meinem Joghurt mit Honig und Cornflakes, als plötzlich M. pfeilschnell den Strand entlang rennt, von irgendwo her ertönt Gerufe, auch andere rennen auf einmal zu einem bestimmten Fleck am Strand. In der Hoffnung, es handelt sich nicht um die Rettung eines gerade Ertrinkenden, erhebe ich mich und schaue mal nach: nein, es dreht sich nur darum, ein vom Kentern bedrohtes Boot zu sichern.
Seit unserer Ankunft war es sehr windstill und die Luft eher so mittelgut, das Meer glatt und sumpfig. In der vergangenen Nacht aber kamen Wind und mit ihm beachtliche Wellen auf, die jetzt am Morgen dem Boot, welches seit drei Tagen bei ruhiger See an dieser Stelle verankert gewesen ist, mächtig zusetzen, es läuft mit Wasser voll und droht zu sinken.
Also eimern Leute hektisch Wasser heraus und danach geht es darum, mit Händen und Seilen das Boot an Land zu ziehen, da dieser Strandbereich für Autos mit Seilwinden nicht gut erreichbar ist.
Etwa 40 Menschen beteiligen sich, ich mache nur Fotos. Dabei trete ich langsam näher, betätige noch ein paarmal den Auslöser und denke, das ist schon eher schäbig von mir, ich seufze also tief und reihe mich beim Tauziehen ein. Meine Badelatschen werden vom Sand verschluckt, dreimal fallen wir alle wie Dominosteine um, da die Supergriechen alles können, nur halt keine ordentlichen Seemannsknoten.
Es handelt sich um eine sehr kräftezehrende Angelegenheit und Knochen knacken, aber das Boot bewegt sich sehr langsam, die letzten Meter auf Sand auf von jemandem eilig untergeschobenen Plastikrohren.
Eine Stunde später ist das Ziel erreicht, die Badelatschen sind auch wieder ausgebuddelt und ich kehre zum Frühstück zurück; der Tee ist kalt, die Cornflakes sind matschig. Aber ich werde als Held gefeiert.
Ein Mann, der während der gesamten Aktion sitzen geblieben ist und betont nicht zum Boot hingesehen hat, sondern sicherheitshalber in eine andere Richtung, kommt zu uns und fragt, was denn da los gewesen sei. Soll er doch, mir egal, dummer Penner.
Ich seufze tief
26.05.
A., K., W. und ich kehren spät von einem dummen Champions-League-Finalspiel mit unsympathischen Leuten vor und im Fernseher kommend im Barbereich von M. ein, dieser hat, ähnlich wie vor zwei Jahren, für heute Männernacht in Matala angeordnet. Das Neue daran ist, W. soll erstmalig mit.
Sehr lange jedoch gibt es keinerlei Anzeichen eines baldigen Aufbruchs, stattdessen sitzt das halbe Dorf hier herum, die Belegschaften der umliegenden Tavernen und sogar der Bürgermeister; es liegt etwas in der Luft.
Während A. und K. noch Hoffnung haben, sie werden ihre Männer bald loswerden, passiert weiterhin nichts, nichts, nichts.
Nur der Fäkalienabsauge-LKW fährt vor und saugt Fäkalien ab.
Nun liegt Kackegeruch in der Luft; mit blümeranten Gefühlen ins Bett.
27.05.
Erfolgreich absolvierter Strandtag.
28.05.
Erfogreich absolvierter Ausflugstag.
29.05.
Unser Gastwirt M. begrüßt uns am Morgen mit zwei emporgereckten Mittelfingern, ich gerate ins Grübeln darüber, was wir wohl jetzt schon wieder falsch gemacht haben und blicke beschämt zu Boden.
Als ich wieder zu ihm aufsehe, sind es doch nur zwei normale Winkehände, irgendwer hat mir wohl letzte Nacht etwas in den Raki getan.
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K. und W. machen tagsüber einen Ausflug in die Agio Farago Schlucht, dort befindet sich auf halbem Weg eine kleine Kapelle, die sie sich gerade von innen ansehen, als bescheuerte Touristen oder irre Serienkiller den Außenriegel der Tür verschließen. Verzweifelt klopfen und rütteln K. und W. anschließend so lange an der Tür, bis sich andere Urlauber erbarmen, sie zu öffnen und die beiden kurz vor ihrer Skelettierung freizulassen.
Als wir sie am Abend antreffen, wirken sie verstört, ausgemergelt und abgezehrt. Wir sorgen erstmal dafür, dass irgendein Tavernen-Costa sie mit Moussaka und gefülltem Bifteki wieder aufpäppelt.
30.05.
Auf der Suche nach einer belgischen Taverne in irgendeinem kretischen Dorf (finde den Fehler) stellen wir fest, diese existiert nicht mehr bzw. ist dem Verfall preisgegeben – genauso wie die hier herumstreunenden, von der Sonne ausgeblichenen Sängerzombies, aus deren Augen Schnecken ploppen und weißer Schleim trieft
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Bizarrerweise verfügt unser Domizil im Erdgeschoss über einen Yogaraum, der auch eifrig von sogenannten Yogagruppen genutzt wird. Dort liegen sie auf Matten, machen Übungen und manchmal dazu „aaahm“ und „ooohm“. Leider scheinen die Yogaleute jedes Jahr zahlreicher zu werden und mehr Zimmer zu blockieren, weswegen sich die Verhandlungen mit M. über unser Zimmer als zunehmend schwieriger gestalten.
A. und ich waren gerade beim Abendessen und schlendern nun hinüber zur Bar unserer Unterkunft. Am Wegesrand halten wir aber zunächst an, um eine große, lärmende Yogagruppe, die wir im Rücken haben, vorbeizulassen. Ich kann mich offensichtlich nicht entspannen, wenn mir eine Yogagruppe auf den Fersen ist, obwohl skurrilerweise wahrscheinlich genau Gegenteiliges der Fall sein sollte.
Als wir uns im Barbereich niedergelassen haben, erzählen zwei Toptouristen anderen davon, wie toll sie sind, was sie alles besser machen als andere Urlauber, weil sie im Gegensatz zu denen Land und Leute achten und ähnliche Hirnausscheidungen. Wir, die anderen, haben die Ehre, alles, aber wirklich alles mithören zu dürfen.
Ich sehe mal hin: die Toptouristen sitzen recht nah mit dem Rücken zu uns, ihre Körper gleichen überdimensionierten Knetklumpen und auf dem Kopf tragen sie erstaunliche Vokuhilakreationen, sie blond, er dunkel, er dafür aber oben mit Lichtung.
31.05. oder warum ich es hasse, bei geöffnetem Verdeck Auto zu fahren
Ein Vogel kackt mir durch das offene Dach auf die Wange. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.
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A. und ich kommen am Abend an der Bar unserer Unterkunft an, als Gastwirt M., Jungkellner A. und Stammgast T. gerade beim Fleischessen sind. Wir müssen von dem hervorragend gegrillten Schweinefleisch kosten.
Eine junge Frau steht in der Nähe herum, Jungkellner A. bekommt deswegen sofort so Augen und folgender Fundialog entsteht:
A.: „You want some meat?“
Sie.: No thanks.“
A.: „Why? Are you vegetarian?“
Sie.: „Yes.“
A. (schiebt seine Portion von sich weg): „Oh, that’s fine. Me too.“
01.06.
Mystical View am Nachmittag, von hier oben kann man sehr gut aufs Meer, auf Felsen und auf den üblichen Kram, den es hier so gibt, herunterschauen und da es sich bei „Mystical View“ bloß um den kitschigen Namen einer Taverne handelt, wollen wir hier auch etwas essen.
Ich nehme mir vor, nur einen griechischen Salat zu bestellen, mein Blick bleibt auch beim griechischen Salat auf der Speisekarte hängen, aber.
Vier üppige Vorspeisen* und ein ungeheuerlich umfangreiches Hauptgericht später fläze ich mich stöhnend auf meinem Stuhl herum, fühle mich klumpig und sämtliche meiner dafür zuständigen Organe sind mit dem Verdauen dieser diversen Speisen hemmungslos überfordert, alles tut weh.
Am Abend lasse ich die übliche Esserei einfach weg, denn irgendwie müssen die ganzen Biere ja trotzdem reinpassen.
*Zugegeben, die haben A., K., W. und ich uns immerhin zu viert geteilt.
02.06.
Mittags in Mires bestellen A. und ich uns in demselben Restaurant wie immer mehrere Souvlakispießchen und dazu zwei frisch gepresste Orangensäfte, worauf uns der Wirt empört aufklärt, von uns Urlaubern wird erwartet, wir sollen gefälligst den ganzen Tag nur Bier und Raki trinken und er fragt uns, was denn jetzt der Quatsch mit den Orangensäften solle.
Am Abend trinken wir ausnahmsweise doch wieder Bier und Raki, freilich nur, weil es sich bedauerlicherweise um den finalen Abend von K. und. W. handelt.
An ihre letzten Worte vermag ich mich nicht genau zu erinnern, meins lautet: „Tschühüs.“
03.06.
In unserem einst feuerwehrroten, jetzt dreckverkrusteten Geländewagen ömmeln A. und ich eine halsbrecherische Schotterpiste zu irgendeiner abgelegenen, kleinen Bucht entlang.
Dort angelangt, stellen wir fest, es ist uns viel zu heiß hier und Schatten existiert auch nicht. Also rasch zurück, aber vorher erklimme ich noch eben einen Hügel, von dessen Gipfel aus ich drei, vier durchschnittliche Fotos von der anderen Seite mache.
Beim Zurückholpern nähern wir uns mit dem Auto einem am Straßenrand abgestellten, dunkelgrünen Jimny mit geöffneter Motorhaube. Als wir langsam daran vorbeizuckeln, erblicken wir ein älteres Paar, das etwas ratlos wirkend hinter dem Fahrzeug steht.
Wir halten an, ich steige aus und brülle: „Everything ok?“
Der männliche Teil des Paares antwortet: „Yes, yes, no problem.“
„But it seems you have a problem with the motor.“
„No, no, it is not se motor, it is se … se … se …“
„Ah, Sie sind aus Deutschland“, stelle ich fest.
„Ja, genau. Dann brauchen wir gar nicht auf englisch weiterzubabbeln“, freut er sich.
„Ja, ein Glück“, denke ich.
„Nein, kein Motorproblem, ein Stück von der Radaufhängung ist weggebrochen. Aber wir werden versorgt, ein Mann von der Autovermietung ist schon unterwegs“, setzt er fort. Ich erkenne den Aufdruck der Vermietung auf dem Auto, es handelt sich um eine aus Kalamaki und sage: „Wenigstens ist das nicht so weit und sollte von daher nicht zu lange dauern. Habt ihr denn genug Wasser dabei und so?“
„Ja, ja, wir haben hier sogar Internet“, frohlockt er.
„Na dann, alles Gute, tschühüs.“
Dreckverkrustet und Spaß dabei
05.06.
Ich beobachte in unserer bevorzugten Frühstückslocation einen Mann mit halblangen, leicht welligen Haaren, der mit dem Rücken zu uns in der Nähe sitzt, in der Hoffnung, er tut oder sagt etwas Erwähnenswertes, denn ich brauche bei all den unspektakulären, sich anhäufenden Strand- und Miniausflugstagen trotzdem dringend Material für diesen Bericht.
Es passiert aber nichts und während ich darüber sinniere, was ich dem Mann abseits seiner Frisur anlasten könnte, schweift mein Blick umher. Ich stutze, denn plötzlich sitzt er auf einem anderen Stuhl als soeben. Ich sehe wieder zu seinem alten Sitzplatz hin, doch auch dort sitzt er immer noch.
Es muss sich also um zwei verschiedene Männer mit denselben Haaren handeln, folgere ich klug.
Als in dem Moment ein weiterer Typ mit genau dieser Frisur auf dem Kopf die Strandpromenade entlanggeht, ist der Höhepunkt noch längst nicht erreicht; ich sollte im weiteren Tagesverlauf noch drei, vier weitere Exemplare zu sehen bekommen – halblanges, welliges Haar, die Farbgebung undefinierbar junggeblieben irgendwo zwischen blond, braun und grau.
Hätte ich also vor, über einen dieser Leute zu schreiben, ich könnte es nicht, da ich mir nie sicher sein kann, wen genau von ihnen ich da gerade vor mir habe.
06.06.
Als A. und ich wie fast immer in der Zeit nach dem Abendessen und vor dem Zubettgehen im Barbereich unseres Domizils bei ein paar letzten Getränken sitzen, fragt M. uns, ob wir die Musik liken, die da gerade läuft.
Es handelt sich um eine massenkompatible und irrelevante Popsoße und wir machen vorsichtig Geht-So-Laute und -Bewegungen. In dem Moment, als M. uns fragt, ob er die Musik ausmachen solle, haben wir noch gar nicht bemerkt, dass das Gedudel gar nicht aus seiner Bar kommt, sondern aus der direkt benachbarten Taverne des Problemwirtes.
Als wir es registrieren, erkundigt sich M. nochmal: „Shall I turn it off?“, „But how?!“, wundern wir uns.
„Well, I just turn it off!“
A. und ich sind besorgt, nicht dass es wieder zu einer Klopperei kommt, wir kennen das ja.
Aber M. ruft lediglich Jungkellner A. hinter dem Tresen auf griechisch etwas zu und im nächsten Augenblick kehrt Ruhe ein.
„How did you do that?“, wollen wir wissen.
„I’m a magician, I can do that“, antwortet er. Danach erklärt er uns aber, der Problemwirt möchte oder kann sich kein eigenes Internet leisten, weshalb er einfach das von M. mitbenutzt, eben auch zur Musikwiedergabe. Und manchmal macht M. dann, ganz simpel, den Router aus.
Er tut dies jedoch nicht oft, denn schließlich sollen seine Gäste sein WLAN nutzen können, auch wenn die Töne von nebenan, wie schon das eine oder andere Mal beschrieben, allzu schräg und laut werden.
Aber sicher ist M. mit dem Wissen, er kann es jederzeit abstellen, auch ganz zufrieden.
08.06.
An unserem letzten Morgen schmeißt der Problemwirt absichtlich ein Trinkglas auf den Asphalt der Strandpromenade, keine Ahnung, welche Laus oder Kakerlake ihm jetzt schon wieder über die ohnehin sehr strapazierte Leber gelaufen ist.
Gastwirt M. hat andere Sorgen, mehrere Übernachtungsgäste machen ihm schwer zu schaffen. So beschwert sich ein Paar, weil die Urlauber im Zimmer unter ihnen zu laut seien, ein anderes, weil sie keine Räumlichkeit mit Meerblick bekommen haben und dann warten da noch die Spezialisten, die zwar vor Monaten im Internet anfragten, ob vom soundsovielten bis zum soundsovielten ein Zimmer frei sei, was bejaht wurde, sie dann aber niemals die Buchung bestätigt haben und jetzt erwartungsvoll sagen: „Hallo, wir sind’s, wir sind jetzt da.“
M. ist schon den ganzen Morgen dabei, Zimmertetris zu spielen, das heißt, er quartiert Leute kurzfristig um (sofern sich diese dazu bereit erklären), andere fragt er, ob es ihnen recht wäre, wenn sie einige Tage und Nächte in einem anderen Zimmer verbringen könnten als die restlichen, er tut also alles, damit es für alle und ihn trotz der widrigen Umstände halbwegs passt.
Ich muss unseren gesamten Aufenthalt noch bezahlen und M. bedeutet mir, dies am besten gleich zu erledigen, denn später sei er wahrscheinlich dead, because of heart attack.
Tschühüs. Viele Grüße an alle, die diese verdient haben.
Leider unscharf – aber Hitlerchen ist eine Nummer zu groß geworden, hat ebensolche Pläne und daher keine Zeit mehr für Fototermine