katarrh

Aus einem scheißealten Kalender: 02 1998


Dieses, im Jahre 1997 mühselig in perfekt aufeinander abgestimmten Sepiafarben handgemalte Kalenderblatt für den Februar im Jahre 1998 geriet schnell und zu Recht in Vergessenheit, weil ein Schmierfink vermeintlich lustige Dinge darauf schrieb und damit alles kaputtmachte

 

Posted by katarrh, 0 comments

Gar nichts machen

Auf der Straße kommt mir eine ältere oder noch älter wirkende Frau entgegen, sie sieht sehr verlebt aus und viele Zähne scheint sie nicht, mehrere Probleme aber sehr wohl zu haben. Auf wackeligen Beinen, bestehend aus Haut, Knochen und Hose, stakst sie auf mich zu, sieht mich mit Gollums Blick aus ihren Augen an und ich bekomme es mit der Angst zu tun.
„Chrrhahhrrben Sie vielleeeeicht eine SsigarrRRCHAHRRAAARCHRÖCHELAAARRRRTte für michhustauhucharrhg?“, fragt sie, geht aber weiterhin Lungenklumpen hervorholend an mir vorbei.
Und ich bin ehrlich gesagt froh, denn ich musste aufgrund dieses sich von selbst lösenden Problems gar nichts machen.

Posted by katarrh, 0 comments

Big Trouble in Little Kalamaki

17.05.

Vor wenigen Sekunden riss mich der schrille Weckton meines Smartphones unsanft aus dem Schlaf, es ist 3:46, ich sitze benommen auf der Bettkante.
Ich will noch letzte Dinge in den Koffer tun, kann aber meine Augen kaum offen halten und schmeiße alles, was ich nur ertasten kann, in das Gepäckstück hinein.
Erschreckende 19,5 Kilo zeigt die Kofferwaage an, die letzten Male wurden Traumwerte wie 16,8 Kilo für drei Wochen erreicht.
Der Abflug wurde von 6:05 auf 7:40 verschoben, erfahren A. und ich am Flughafen, letztendlich sollte der Flieger erst nach 8:00 abheben.
Weil das Flugzeug, in dem wir eigentlich sitzen sollten, aufgrund technischer Probleme ausgefallen ist, befinden wir uns nun in einem anderen, deutlich größeren und A. und ich haben jeder eine komplette Sitzreihe für sich allein. Ich, der grundsätzlich auf einer Flugreise nie schlafen kann, nicke über einem unlösbaren Sudoku, Schwierigkeitsstufe 13 von 13, ein.

Gestern waren im Internet schlimme Nachrichten und Bilder aus unserem Urlaubszielort Kalamaki zu vernehmen; aufgrund einer neuen behördlichen Richtlinie wurde die Strandpromenade geräumt, die Polizei kam und sämtliches Mobiliar, das heißt Stühle, Tische, aber auch die Sonnenschirme am Strand mussten entfernt werden.
Auf den Fotos waren viele uns bekannte Einheimische zu sehen, die mit traurigen und zornigen Gesichtern aufgebracht mit den Ordnungshütern diskutierten, gefolgt von Bildern, die eine tatsächlich leergeräumte Promenade zeigten.
„Das kann ja was werden“, dachten wir uns.

Als wir im Dorf ankommen, stehen alle Stühle und Tische wieder auf ihren gewohnten Plätzen, lediglich die Schirme fehlen noch, es ist also, als wäre fast nichts geschehen.
Denn an diesem Morgen fuhr zuvor quasi das gesamte Dorf zum Rathaus in Mires, um dort zu protestieren und zu verhandeln, was genau dabei herauskam, wird uns nicht so ganz klar, aber die Möbel wurden danach eben wieder hingestellt. So einfach funktioniert das anscheinend.
M., unser Gastwirt, wirkt nach einer verständlicherweise komplett schlaflosen Nacht noch müder als wir, aber auch relativ entspannt und erleichtert. Ich trinke erstmal ein großes Bier, was soll ich auch sonst machen.
A. legt sich nochmal hin, ich beschließe, dieses seltsame Jetlag-Gefühl halbwach auszukosten, nur halt ohne Jetlag und trinke noch mehr Bier.


It’s art!

Zum Abendessen bei Athivoles haben wir einen ganz guten Retsina, es ist der erste in meinem Leben und ich mag ihn trotzdem nicht. Den Raki hinterher mag ich eigentlich auch nicht, aber der muss hier unbedingt getrunken werden.
A. geht anschließend wieder brav zu Bett, nur ich schlage noch über die Stränge und halte meine Biere und mich am Bartresen unserer Unterkunft fest und berichte einem Touristenpaar in wirren Worten über die Vorfälle im Ort, während neben mir einige der hiesigen Gastwirte diskutieren, alle sind sie freundlich dabei. Ein trügerisches Gefühl des Zusammenhaltes wabert durch die Nachtluft, als ich Richtung Zimmer wanke.

18.05.

Keine besonderen Vorkommnisse.
Nachts wieder das gleiche Spiel: A. geht vernünftigerweise aufs Zimmer, wogegen ich im Außenbereich Hopfengetränke konsumiere. M. macht die Lichter aus, stellt mir aber noch ein Mythos hin und bedeutet mir, so lange sitzen zu bleiben, wie ich eben mag.
Auf die Ohren gibt’s dazu über meine tollen neuen Kopfhörer Johann Sebastian Bachs Suite No. 3 in D major, BWV 1068: II. Air. Klingt sperrig, kennt aber jeder und da ich keine Ahnung von „klassischer“ Musik habe, bilde ich mir ein, mit diesem dunklen Moment harmonierte nichts hervorragender als das.

19.05.

Ich setze mich mittels moderner Textkommunikation mit W., der mit seiner Frau K. noch im fernen Deutschland weilt, in Verbindung. Er schreibt im Chatverlauf irgendwann: „Ihr habt Spaß, yeah.“
Darauf ich: „Und gleich Pita (leider in Matala).“
Er: „Warum leider?“
Ich: „Dachte, das hat sich herumgesprochen, dass ich weder Hippie- noch Matalafan bin.“
Ich (Zusatz, verschmitzt): „Bin Metalafan.“
Er: „Ist bekannt, ja, beides, aber trotzdem kann man doch da mal ’ne Pita essen.“
Ich (sende ein Bild): „Ja, passt schon. Solange man sich beim Essen nicht zu genau umschaut.“

Er: „Oho. Da hat aber ein Maler eine Situation sehr stimmungsvoll eingefangen. Wirkt ein bisschen steif oder gerade eben nicht …“

20.05.

Als am Morgen A. und ich uns mit müden Augen aus dem Apartment bewegen, sind einige der Sonnenschirme wieder aufgestellt, die meisten warten aber noch auf ihren Aufbau. Im Strandabschnitt vor unserer Unterkunft machen das unter Stöhnen und Ächzen M. und der ulkige Jungkellner A.; die Teile sind groß, schwer und unhandlich, bestehend aus einem dicken Holzpfahl, der recht tief im Sand versenkt werden muss, und einem Strohschirm von ordentlichem Durchmesser.
Vor unserer einst bevorzugten Frühstückslocation erledigt dies ein einzelner, armer, muskulöser und sehr braungebrannter Hilfsarbeiter. Unter einem bereits aufgestellten Schirm ganz in seiner Nähe werfen sich zwei Mädels die Kleider vom Leib und legen sich in knappen Bikinis auf die Liegen.
Abgesehen von der Grenzwertigkeit, sich dort urlaubig auszubreiten, wo ein einsamer Mensch gerade schwer schuftet, hat die Szenarie etwas von einem Beginn eines billigen Erotikromanheftchens.


Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?

Nachmittags spaziere ich am Komos Strand am Meerufer entlang nach Kalamaki, eine Strecke, für die ich schätzungsweise 30 Minuten brauchen werde.
Leider existiert auf diesem Weg ein größerer Bereich, in dem einige Menschen maximal geduldeterweise der Freikörperkultur fröhnen. Als ich diesen passiere, wünsche ich mir, an den Seiten meiner Sonnenbrille wären Scheuklappen angebracht und stelle mir vor, wie bei den zumeist älteren Nackedeis die primären Geschlechtsmerkmale in Körperfalten verschwinden, während die sekundären darüber rollen, um ja nicht hinsehen zu müssen.
Auf einmal liegt meterhoch und -lang eine Ansammlung großer Gesteinsbrocken im Weg, dem war früher nicht so. Zu Beginn dieses Schlamassels steht nackt davor ein französisches Seniorenpaar, die Frau regt sich sehr auf, als ich mich schnurstracks auf sie zubewege (und mir dabei Scheuklappen auch über den Brillengläsern herbeisehne). Was kann denn bitte ich dafür, wenn ihr mir unbekleidet und blöd im Weg herumsteht (que puis-je demander si vous êtes sur mon chemin nu et stupide)?
Ein Glück, kann ich kein französisch.
Während sie hinter meinem Rücken weiter zetert und ich die ersten Brocken bereits erklommen habe, stehe ich nun barfüßig unvorteilhaft inmitten des scharfkantigen Gerölls. Schweißüberströmt und verzweifelt setze ich mich auf einen flachen Stein, sammle mich ein paar Minuten und ziehe meine Schuhe an. Ein Einheimischer kraxelt über das Gestein, er hat nichts außer einer Badehose an. Da ich ihn vom Sehen kenne und um sein gutes Deutsch weiß, frage ich ihn: „Woher kommen denn plötzlich diese großen Steine?“
„Keine Ahnung, aus dem Meer oder so“, erwidert er. Das ergibt keinen Sinn.
Als ich die schwierige Stelle endlich überwunden habe, wringe ich meine Mütze sowie meine Nerven aus.


Se retrouver comme un idiot

W. sendet mir aus dem fernen Deutschland ein altes Schwarzweißbild von zwei nackten Kindern aufs Smartphone. Seine Erklärung folgt schnell, das Foto war selbstverständlich nicht für mich bestimmt, sondern für seine Tochter, aus verwandtschaftlichen Erinnerungsgründen.
„Jaja, ‚falscher Adressat‘, nackige Kinder – was sollen die Leute, die das hier bespitzeln, von mir denken?!“, frage ich.
„Sorry für die Beschädigung deines Algorithmus. Wer weiß, was du jetzt für Werbung kriegst“, schreibt er.

Am Abend sitzt im Außenbereich unserer Herberge eine Familie aus dem Ruhrpott, der Sohn befiehlt seinem Vater, ihm einen „Moschito“ zu bestellen. Der Vater stakst zur Bar und ordert einen „Monschito“. Bei seiner Rückkehr zur Sitzgruppe belehrt ihn sein Sohn: „Das heißt übrigens ‚Moschito‘.“

21.05.

Eine neue Autobahn führt vom Nachbarort Mires nach Iraklio. Noch nicht ganz, aber der größte Teil ist bereits fertiggestellt. Gastwirt M. berichtet uns, die Strecke sei nun in einer halben Stunde machbar statt wie früher in einer; wir Touris werden jedoch laut unserer eigenen realistischen Selbsteinschätzung länger dafür brauchen. Immerhin, es soll deutlich schneller als über die alte Serpentinenstraße vorangehen, mehrere Dörfer, durch die sich diese schlängelt und die tagtäglich von LKW, Bussen, Pick-ups und hässlichen, von Urlaubern gemieteten Kleinschüsseln verstopft wurden, atmen auf und Frischluft.
Heute wollen A. und ich uns den venezianischen Hafen in Iraklio ansehen und testen dafür die neue Trasse. Sie ist sehr gut.
In der Stadt angekommen, kehren wir in einem Hipster-Café ein und verspeisen verschiedene Dinge, A. trinkt dazu einen Flat White, ich einen Cold Brew, denn es herrschen 31°. Gegenüber laufen, einer nach dem anderen, die Spieler der hiesigen Fußballmannschaft OFI Kreta in ein Hotel ein, dem Gehumpel nach zu urteilen, kommen sie von einem anstrengenden Match.
Der venezianische Hafen ist ganz ok, lädt aber nicht zu einem längeren Aufenthalt ein und sollte von der Stadt dringend schöner herausgeputzt und besser präsentiert werden. Anschließend schlendern wir eine blöde Einkaufsstraße entlang, in deren Läden hauptsächlich Touristenramsch feilgeboten wird.
Wir beenden unseren Besuch in einer Pâtisserie, deren Küchlein und Zuckerzeug bedauerlicherweise sehr einladend auf uns wirken. Ich saue mir meine Hose mit dunkler Schokoglasur ein, dazu schallt aus den Boxen Sole Sole Sole von Siw Malmkvist & Umberto Marcato, alles ist süß und klebt.
Schnell wieder zurück, das geht ja jetzt.

22.05.

Beim Verfassen dieser Zeilen wird die Mine meines Kugelschreibers leer (ja, ich schreibe diese Berichte immer direkt mit einem Kuli in meinen Computer hinein).
Also frage ich im kleinen Supermarkt im Ort den Chef des Geschäfts, der auch der Bürgermeister des Ortes ist, wo sie denn die Stifte haben. „It depends if you want touristic stuff on it or if you want it simple“, antwortet er. „Simple, please“, flehe ich und er weist mir den Weg in die seriöse Abteilung.
Mit meinem neuen Bic bewaffnet, lege ich mich unter einen der alten, neu aufgestellten Sonnenschirme, dabei passiert heute gar nichts mehr, denn es ist sog. Strandtag.


Die Ausführungen über den Mega Cretan Theme Park aus dem letzten Jahr mögen den einen oder anderen eher abgeschreckt haben, aber wenigstens lassen sich die Toilettengänge anhand der vielerorts aufgestellten Werbeschilder bereits im Vorfeld vortrefflich planen

Am Abend sendet mir W. ein Bild eines kretischen Sonnenuntergangs, da K. und er seit heute irgendwo auf der Insel unterwegs sind. „Wir hatten keinen“, schreibe ich zurück, denn es war zu bedeckt bei uns.

23.05.

Morgens taucht die Polizei im Ort auf. Hektisch räumen einige der Betreiber Teile des Mobiliars von der Strandpromenade wieder nach innen, die Polizisten schauen sich das für etwa 10 Minuten an. Nach dieser Zeit fahren sie wieder weg und alle Möbel werden wieder rausgestellt. Versteh einer diese Griechen bzw. so einfach funktioniert das möglicherweise.

Nachmittags fahren A. und ich die Zickzack-Straße hoch. Je höher wir kommen, desto größer werden die irgendwann zuvor abgerollten Gesteinsbrocken, die mitten auf dem Asphalt liegen. Auch die ausgetrocketen Kadaver zweier abgestürzter Babyziegen passieren wir; später können wir von einem Aussichtspunkt beobachten, wie ein ausgewachsener Ziegenbock eine Gerölllawine lostritt.
Ziegen sind gemeingefährlich, zu allem fähig.

Als es dunkel wird, schickt mir W. von irgendwo auf Kreta ein Foto eines ganz okayen Sonnenuntergangs, doch unserer ist heute geiler. Triumphierend drücke ich auf Senden.

24.05.

Das Lokal Franz Kreta Gergeri, gelegen an einem künstlichen, aber recht hübschen See, der der Wasserversorgung der Gemeinde Gergeri dient, hat trotz des ulkig anmutenden Namens nur eine unbebilderte Speisekarte auf Griechisch. So wird es uns jedenfalls mit Händen und Füßen mitgeteilt, denn die Bedienung spricht ausschließlich die Landessprache.
Wir scheitern schon an der Bestellung eines Orangensaftes, Cola geht aber und auch das Ordern eines griechischen Salates sowie Dakos bekommen wir hin.
Sie schmeißt, wie hier meist üblich, eine Papiertischdecke über unseren Tisch, Klammern zum Befestigen hat sie aber nicht dabei, weshalb die Papierdecke ungünstig im Wind durch die Gegend flattert.
Am Tisch neben uns nimmt ein Pfauenweibchen Platz, ein anderes stolziert unentschlossen zwischen den Sitzgelegenheiten umher, während über uns ein fetter Käfer laut brummend seine Bahnen fliegt. Vier Gänse watscheln heran, die vorderste faucht (!) eines der Pfauenweibchen an, das daraufhin mehrfach aus Panik mit Karacho gegen die Panoramascheibe hüpft, Federn segeln neben unseren Speisen hernieder.
Anschließend Seeumrundung zu Fuß, meine Beine jucken tierisch, wahrscheinlich Pfauen- oder Gänseflöhe.


Noch ist das Gefieder intakt

Abends sende ich W. nach irgendwo auf Kreta ein Bild unseres Sonnenuntergangs. Er nicht, denn „Wir haben keinen“, wie er schreibt. „Tja“, antworte ich.

25.05.

Bezeichnenderweise ist es der Tourist, der sich den dicksten SUV gemietet hat, der, als ich während eines längeren Spaziergangs ein Stück am Straßenrand entlang gehe, es nicht für nötig hält, mit einem gewissen Sicherheitsabstand an mir vorbeizurauschen. Mein Mittelfinger fährt aus. Nichts weiter.


Auch unschön: deutsche Touristen, die ihre Qualitäts-Stahlspäne im Gelände abladen

Keine Fortsetzung des Contests der untergehenden Sonnen mit W., ich melde mich aus Rücksicht nicht und er hat wohl aufgegeben.

26.05.

Es ist die diffuse Zeit irgendwann zwischen Mittag- und Abendessen, die gesamte Terrasse der Taverne Sactouris & Sofia im Nachbardorf Sivas ist unbesetzt, als A. und ich dort einkehren. Es ist sehr warm, wir setzen uns also an den Rand, um möglichst viel von dem leicht gehenden Lüftchen spüren zu können.
Wir bestellen gerade bei einem der beiden Kellner ein paar Kleinigkeiten, als eine dreiköpfige Familie trotz der Leere im Lokal unseren direkten Nebentisch zum Verweilen auswählt. Die Eltern sind schon etwas älter, die Mutter hat sich ziemlich herausgeputzt, der Vater ist vom Aussehen her eher unauffällig und der ca. 30-jährige Sohn scheint mit seiner rundlichen Figur, dicker Brille und seinem schrillen, grellorangefarbenen Hawaiihemd mit Riesenpalmen direkt aus dem Cartoon Network entsprungen zu sein. Sie setzen sich hin und der Quatsch Comedy Club beginnt.
Erst sind sie nicht in der Lage, mit der Speisekarte umzugehen. „Ich finde nichts zu Essen“, lautet die Aussage, dabei ist die Karte praktisch voll davon. Als sie den Teil gefunden haben, entbrennt eine Diskussion darüber, wie hier wohl die Pommes aussehen. „Bei uns beim Griechen sind das ja so dicke Kartoffelecken, ob das hier auch so ist?“, wird da etwa gefragt.
Der Zeichentricksohn will vorweg auf jeden Fall gebratene Pilze, als Hauptgericht Schnitzel mit Pilzen und Rahmsoße. Und Pilze Pommes seien als Beilage, egal wie, sowieso ein Muss.
Für den Vater soll es Hühnchen sein, aber er hat Bedenken. „Wie ist denn das Hühnchen hier so?“, fragt er den Deutsch sprechenden Kellner. Dieser zeigt sich irritiert: „Wie …?“
„Ist das mit Knochen?“
Der Kellner antwortet souverän: „Ja, so wie sich das gehört.“
Der Vater möchte aber partout keine Knochen und die Bedienung verspricht ihm, gleich in der Küche nachzusehen, ob sie dort vielleicht noch ein größeres, zusammenhängendes Stück Brust haben.
Trotz der komplizierten Bestellungsaufnahme, deren weiteren Details wir uns hier ersparen (Ausrede für: ich habe sie vergessen), lässt sich der Kellner nicht aus der Ruhe bringen und fängt sogar etwas Small Talk an: „Wohnt ihr hier in Sivas?“
Die Mutter: „Ja, in der Villa Soundso.“
Der Kellner: „Ah, sehr schön.“
Die Mutter: „Ja, sehr schön. Aber bei uns würde man sowas ja eher nicht als Villa bezeichnen, haha.“
Endlich, der Kellner hat sich alles notiert und verschwindet Richtung Küche. Er ist schon weg, als der Sohn plötzlich aufspringt und auf den anderen Kellner, der sich in der Nähe langweilt und aber nicht Deutsch spricht, zurennt und brüllt: „Und Knoblauchbrot! Wir wollen auch noch Knoblauchbrot!“
Währenddessen zischt der Vater die Mutter an: „Lass ihn doch nicht immer so viel bestellen.“
Anschließend debattieren sie darüber, wie sie sich denn setzen müssten, damit, falls sich der Sohn gleich eine Zigarette anzünden sollte, niemandem von ihnen der Rauch ins Gesicht zieht. Schwierig, denn der leichte Wind ist unberechenbar und weht aus unterschiedlichen Richtungen, kalt sei dieser aber in jedem Fall, fühlt und findet die Mutter (wie eingangs erwähnt, ist die Terrasse sehr leer und mittendrin wäre es sicher nicht so zügig).
Als sie ihre Gerichte vor sich stehen haben und zu speisen beginnen, betritt nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf die Chefin der Taverne die Taverne. Sie beobachtet geringschätzig die Mutter, die große Teile ihres Essens der süßen Katze zu ihren Füßen hinwirft. Verärgert fragt sie die Familie: „Alles ok bei euch?!“
„Es ist kalt“, antwortet die Mutter, sich ertappt fühlend.
„Der Wind?“
„Nein, das Essen.“
Was gar nicht sein kann, da ihres erst vor wenigen Minuten frisch vom Grill gekommen ist.
A. und ich wünschen der Chefin mit mitfühlendem Blick noch viel Vergnügen und verlassen die Szenarie.

Abends längerer Textaustausch mit W: ich äußere im Verlauf meine Vermutung, K. und er seien gar nicht irgendwo auf Kreta unterwegs, weil er ständig Internet habe und mir immer blitzschnell antworten könne. Vielmehr seien sie bereits in Kalamaki und versteckten sich die ganze Zeit im Zimmer.
„Genau. Und haben euch die ganze Zeit im Auge“, schreibt er.

27.05.

A. und ich machen eine Ausfahrt nach Rethymno, der drittgrößten Stadt Kretas.
Dort rollen wir auf einen überfüllten, gebührenpflichtigen Parkplatz und warten auf ein Urlauberpaar, das womöglich gleich ausparken wird. Werden sie, der Mann bedeutet uns aber durch Handzeichen, sie werden sich dafür viel Zeit lassen. Alle Türen des Fahrzeugs werden geöffnet, dramatisch mit den Händen die heiße Luft weggewedelt (meine Güte, es sind gerade mal 23, 24°), die Frau geht noch einige Male um das Auto herum, sowas alles. Als sie großzügig endlich die Parklücke freimachen, schaut er mich blöde an, ich ihn blöde und böse.
In der Altstadt nehmen wir etwas abseits vom schrecklichen Touristentrubel, nachdem uns aufdringliche Kellner kaum an den Restaurants vorbeigelassen haben, in einem kleinen Café einige Getränke zu uns. Als ich dort auf die Unisextoilette gehe und mir gerade die Hände wasche, rüttelt jemand an der Tür, als ginge es um sein/ihr Leben. Ich verhalte mich still, rufe also nicht: „One moment!“ oder ähnliches, da ich davon ausgehe, es ist schon einigermaßen selbsterklärend, das Klo ist schlicht und ergreifend besetzt und verschlossen, aber er/sie rüttelt so lange, bis das Schloss kaputtgeht und aufspringt. „Upps, hoppla“, sagt sie auf Deutsch, als sie die Tür einen Spalt öffnet und gleich wieder zuzieht. Beim Rausgehen sehe ich sie mit einem derart furchteinflößenden Blick an, sie muss sich hoffentlich noch vor Erreichen des Klos einnässen.
Wir kaufen A. eine Handtasche und gehen anschließend im traumhaft schönen Innenhof des Restaurants Avli Essen; ein fantastisches Vier-Gänge-Menü, dazu die herausragende Weinbegleitung, sehr empfehlenswert.
„Für den Preis hätten wir, die richtigen Sachen bestellt, fünfmal bei Aristidis in Kalamaki Essen gehen können“, brumme ich in meinen Bart hinein, um mich besser in die Gefühlswelt eines billig Reisenden hineinversetzen zu können.
Zweimal je 1 1/2 Stunden Fahrtzeit für eine Handtasche, teuer zu speisen und die Sehenswürdigkeiten weitestgehend links liegen zu lassen, das geht gerade noch auf der Dekadenzskala.


Am Abend schickt mir W. von irgendwo auf dieser Insel ein Foto von sich, auf dem er mit Halstuch und Kapuze auf dem Kopf zu sehen ist. „Windet es bei euch auch so?“ fragt er. „Nö. Wir sitzen hier im T-Shirt“, schreibe ich.

28.05.

Heute: Black Metal am Strand.


Symbolbild

29.05.

Wir treffen uns mit K. und W. vor der Taverne Elia in Sellia, einem Bergdorf irgendwo auf Kreta. Nach allerhand Begrüßungsritualen gehen wir rein.
K. und W. haben vorweg Auberginenmus mit „vielen Details“, A. und ich Black Eyed Peas mit Forelle und als Hauptgang bekommt A. Lamm mit Schokosauce und Kirschen, W. Lamm aus dem Ofen und K. und ich je einmal die Hühnchenspieße mit Joghurtsauce und ich von letzterem, weil pikant gewürzt, den Schweißausbruch des Urlaubs.

30.05.

K. und W. verweilen seit gestern Abend auch in Kalamaki, hurra, nach all unseren Ängsten und Sorgen um die beiden ist nun alles wieder beim Alten.

Heute wollen wir alle zusammen Wein verkosten. Und zwar in der Domaine Zacharioudakis, deren Hauptgebäude wie ein versehentlich gelandetes Raumschiff hoch oben auf einem Berg über ziemlich vielem thront.
Nachdem wir uns mit zwei Autos dort nach oben gequält haben, stehen wir vor diesem monströsen Ding, das nicht so recht geöffnet aussieht. Weil wir die einzigen Gäste sind, parken wir unsere Wagen griechisch ab, die Stellplatzmarkierungen dienen dabei nur der groben Orientierung. Zögerlich steigen wir aus, um uns zu beraten, was wir denn jetzt unternehmen sollen, als nach einigen Minuten ein junger Mann im Haupteingang erscheint und ruft: „Hello!“
W. fragt ihn: „Hello! Is it possible to make a wine testing here?“
„Yes, sure, of course“, erwidert er. Er heißt Manolis und uns willkommen, verrät er uns. Danach leitet er uns in den großen Verkostungsraum mit mehreren Tischen, der nicht schön ist, aber durch dessen riesige Panoramafenster wir einen herrlichen Ausblick auf ziemlich vieles haben.
Wir blättern uns durch die Weinkarte und nachdem wir ausdiskutiert haben, welche Weine wir probieren möchten, ruft W. den jungen Mann herbei: „Manolo!“
Wir lassen uns zwei verschiedene Weiße bringen, der Plan ist, wir vier trinken die beiden Weine alle zusammen je aus einem Glas, weil es noch recht früh am Tag ist und wir zwei Autofahrer unter uns haben. Jedoch sind wir nicht in der Lage, das bei unserer Bestellung so zu vermitteln oder Manulo versteht es einfach nicht. So bekommt jeder zwei gut gefüllte Gläser hingestellt; ich frohlocke als einziger und denke: „GEILGEILGEIL.“
Im weiteren Verlauf entscheiden wir uns für einen Rosé und einen schweren Roten. „Manolu!“, ruft W. und diesmal bekommt in der Tat jeder nur zwei, drei Schlucke aus dem jeweiligen Glas.
Zum Abschluss kaufen wir im Shop eine Flasche Weiß- sowie zwei Flaschen Rotwein, wir haben vor, uns demnächst abends zwischen den Tavernen in Kalamaki auf eine Bank zu setzen, mit Brot, Käse und eben Wein. Das wird gewiss ein Spektakel für die Tavernengäste, wenn sie uns beim Streiten darüber, wie wir die drei Flaschen gerecht auf vier Leute aufteilen müssen, beobachten können.


GEILGEILGEIL

31.05.

Heute: Portishead am Strand (oder auch nicht).
Leider ist es noch nicht heruntergeladen und da der Download bei dem konstant schwachen Internet hier extrem lange dauert, klingt das erste Stück des 2008 erschienen Albums Third exakt so, wie es heißt: Silence.

Stammgast T. hat seit seiner Ankunft vor ein paar Tagen kaum eine ruhig Minute, ständig muss er Dinge tun, die zu tun die anderen Urlauber in ihren Ferien normalerweise vermeiden.
So beauftragte unser Gastwirt M. ihn eines Tages, beim Einbau eines neuen Schlosses an der Eingangstür des Yogaraumes proaktiv behilflich zu sein, einmal musste er den jungen Ulkkellner A. zum Friseur fahren und ab und zu legt er mit einem Mountainbike etliche Höhenkilometer zurück, vermutlich, weil sein Kopf und sein Körper dies von ihm verlangen.
Heute morgen hat ein schlimmer und verachtenswerter Mensch aus niederträchtigen Gründen zwei vor wenigen Tagen geworfene Hundewelpen in einer Kiste im Außenbereich unserer Unterkunft abgestellt. Eigentlich sollten die Tierchen noch bei ihrer Mutter sein, diese Verbindung wieder herzustellen ist leider nicht möglich und deshalb wird eine Familie ausgesucht, die den einen Welpen zu sich nimmt und sich darum kümmert, den anderen muss T. im Auto zusammen mit einer dem Tierschutz zugeneigten jungen Frau zu einem anderen Ort der Erstversorgung bringen. Die Frau möchte das Hundebaby nach Deutschland exportieren, wenn es mal größer ist.
Leider teilt ihr jemand mit, das wird nicht möglich sein, denn in der Mischung stecke irgendein Kampfhund mit drin.

01.06.

A., K., W. und ich parken den Jimny ab, unweit der Hauptstraße, auf der der Wochenmarkt in Mires jeden Samstag stattfindet. Zu Fuß nähern wir uns dem Anfang des Marktes, als Touristen in einem Cabriolet dort hineinfahren wollen. W. brüllt von oben durch das geöffnete Verdeck in das Auto hinein: „DA IST MARKT!“
Während ich noch mit meinem Kicheranfall beschäftigt bin, schicken sich bereits andere Touristen an, mit einem dieser Quaddinger zwischen den Leuten in den Bereich mit den Verkaufsständen hineinzusteuern. Ja, sind denn schon wieder alle bescheuert oder was.
Wir decken uns für unser geplantes Käse-Wein-Spektakel mit reichlich Käse, Gemüse, Nüssen etc. ein.

Die Problemtaverne neben unserer Herberge existiert nicht mehr, auf der davor frei gewordenen Außenfläche hat M. temporär zwei Tische mit Stühlen hingestellt.
Wenn M. uns mit den vollen Einkaufstüten sehen wird, wird er uns fragen, was wir mit dem Zeug vorhaben, spekuliere ich. Wir werden ihn darüber aufklären und er wird uns generös diese Tische zur Verfügung stellen, fantasiere ich weiter. Aber er beachtet uns nicht, als wir vollbepackt zurückkehren.
Außerdem ist es am Abend viel zu windig geworden, um draußen ungeschützt sitzen zu können, also beschließen wir, es bei K. und W. auf dem Balkon zu versuchen. Aber auch dafür wird es in den nächsten Minuten zu stürmisch und wir gehen ganz normal bei Athivoles Essen.


Was von der Problemtaverne übrig ist

02.06.

Zu viert in einem Jimny zu sitzen ist kein Zuckerschlecken, aber A., K., W. und ich ziehen das jetzt durch und holpern die Schotterpiste zur Agio Farago Bucht entlang.
An einer Abzweigung, die hinunter zur Schlucht führt, scheint ein nicht geländetauglicher Mietkleinwagen auf etwas zu warten und setzt sich, als wir hier abbiegen wollen, frech und knapp vor uns. Wir fluchen, weil wir so nicht in unserem gewünschten Tempo hinabbrettern können, der Fahrer steuert sein Fahrzeug zudem einhändig, denn mit der linken Hand filmt er die Strecke vor sich aus dem geöffneten Fenster mit seiner Actioncam. W. wiederholt von unserer Rückbank mantramäßig: „Also, Leute gibt’s, du, also, Leute gibt’s …“
Irgendwann muss der Actionfilmer mit seiner Minischüssel aufgrund des Zustandes der Straße aufgeben und sie abstellen, ebenso wie ein Fahrer eines anderen Autos vor ihm, des Weiteren versperrt ein Ziegengitter den Weg.
Letzteres öffnen wir abgebrüht, rollen hindurch und verschließen es wieder, dabei werden wir von den anderen, die gerade ihre Fahrzeuge abparken mussten, doof angeglotzt und einer kommentiert: „Oh, da kann man doch noch weiterfahren.“
Ja, kann man, es ist auch erlaubt, jedoch mit nicht geländetauglichen Kleinwagen nicht empfehlenswert.
Als wir auf der Rückfahrt das Gitter erneut passieren, hat zuvor ein Hirni den Schließmechanismus beim Öffnen oder Zumachen so sehr verbogen, dass er sich kaum noch Aufmachen oder Verschließen lässt.


Was Besucher in unserer Abwesenheit immer alles so machen, dass solche Schilder aufgestellt werden müssen

Nach unserer Rückkehr gehen wir an den großen, bis zum Boden reichenden Fenstern des Yogaraumes vorbei, drinnen liegen weißgekleidete Mitfünfziger, die sich zu Entspannungsübungungen verrenken. Davor sitzen in deren Sichtweite draußen zwei kleine griechische Mädchen und lachen sich darüber kaputt.

Es ist abends erneut sehr windig, aber heute machen wir unser Wein-Käse-Event. Allerdings ohne für Aufsehen bei den anderen Urlaubern zu sorgen, denn der nette M. lässt uns großzügigerweise in seinem Außenpavillon versteckt und windgeschützt Platz nehmen.
Zuvor sagt er mir, sein komischer Jungkellner A. mache gerne den Service für uns, mit weißem Tuch über dem Arm und allem, was zu einem stilvollen Abend dazu gehört, der wendet aber ein: „But it will cost you 5 euros extra per service.“
Eine weitere Angestellte ruft hinter dem Tresen hervor: „I do it for 3!“
Also machen wir alles selbst, aber M. stellt uns einige seiner Teller und richtige Weingläser zur Verfügung und W. schnippelt die Käse in mundgerechte Stücke, während A. und K. das Gemüse zerkleinern. Ich lehne mich faul zurück und schaue nur zu, gieße aber anschließend Wein in die Gläser, das ist auch wichtig.
M. kommt ab und zu vorbei, um unsere Käse und Weine lobzupreisen, indem er kleinere Kostproben davon isst und trinkt.


Bei etwaiger Wiederholung dann aber bitte mit weißer Tischdecke

03.06.

A. und K. wollen um 19:00 in der Traumfabrik im benachbarten Örtchen Pitsidia an einem Kurs teilnehmen, der sich „Griechisch Lernen in 60 Minuten“ nennt. Sie freuen sich total, finden die Idee ganz bezaubernd und können es kaum erwarten, W. und mir die Neuigkeit mitzuteilen, gefolgt von dem Wunsch, wir möchten doch bitte auch dabei sein.
Doch W. und ich sind ganz grummelig, haben keine Lust und bleiben in Kalamaki zum Lesen, Powernappen und Duschen. Danach ein großes Mythos in 30 Minuten, das alles während die Mädels anderswo in 60 Minuten schlauer werden und wir dumm bleiben.

04.06.

Als A., K., W. und ich bei Pelagos einkehren, sind fast alle Tische besetzt, vor allem die am Rand mit direktem Blick aufs Meer sind heißbegehrt, uns ist das egal und wir setzen uns mitten in den Raum; kurz darauf nimmt ein älteres Paar ganz in unserer Nähe Platz.
Wenig später betreten zwei grässlich anzusehende Deutsche die Taverne, beide schwarzgekleidet, er mit langen Haaren, sie mit von Botox gezeichneten Gesichtszügen. Sie haben Glück und bekommen einen just freigewordenen Ecktisch am Rand angeboten. Dem anderen erwähnten Paar wurde aber bei dessen Ankunft zuvor in Aussicht gestellt, sich an eben diesen Tisch umsetzen zu können, sobald dieser frei würde; sie nehmen dort gerade Platz – das schwarzgekleidete Paar stürmt hin und behauptet auf Deutsch, das sei jetzt ihr Tisch. Was die beiden anderen wiederum nicht verstehen, denn sie sprechen diese Sprache nicht und sehen zudem, völlig zurecht, keinen Sinn darin, sich erneut umzusetzen. Aber sie geben nach und begeben sich wieder an den alten, in der Mitte gelegenen Tisch in unserer Nähe.
In Folge wird das Horrorpaar konsequent nicht bedient, während das andere bereits nach und nach seine Speisen serviert bekommt. Ersteres steht nach einer halben Stunde empört auf, um die Taverne zu verlassen. „Was ein Scheißladen!“, zischt sie beim Gehen durch ihre Schlauchbootlippen in das Restaurant und alle, wirklich alle, bekommen dies mit, freuen sich und schenken dem wie auch immer sprechenden Paar wohlwollende Blicke.

05.06.

B., der Nachbar unseres Gastwirtes M., hatte vor wenigen Tagen den Außenbereich seines Gebäudes komplett vom Mobiliar befreit und dieses irgendwo drinnen verstaut, doch am Abend desselben Tages standen die Dinge weitestgehend wieder draußen. Denn an jenem Nachmittag überzeugten oder zwangen ihn andere Wirte, den Krempel wieder rauszubringen, da sie alle in einer derartig schwierigen Lage zusammenhalten müssten.
Heute herrscht am Morgen eine große Aufregung, irgendwer behauptet, die Polizei sei unterwegs in den Ort und das Gerücht verbreitet sich unter den Einheimischen wie ein Lauffeuer. Der Wahnsinn beginnt von vorne, alle räumen hektisch Teile ihres Außenmobiliars nach innen, jedenfalls so weit, um nach ihrer Auffassung den Fluchtweg breit genug gestaltet zu haben.
Die Bullen erscheinen tatsächlich, alle Betreiber eilen zu Fuß oder knattern mit ihren Mopeds hin zu der Stelle, an der sie parken und in Zeitlupe aus dem Auto aussteigen. Unser M. nimmt einen der Beamten gleich freundschaftlich in den Arm, der daraufhin in bester Spielfilmmanier braungebrannt, mit breitem Grinsen und verspiegelter Sonnenbrille die Promenade abschreitet und dabei Beweisfotos sichert. Eigentlich scheint die Stimmung zwischen den Gastronomen und den Polizisten recht gelöst zu sein, der Filmpolizist nuckelt tiefenentspannt am Strohhalm seines eisgekühlten Kaffeegetränkes.
Es stellt sich aber heraus, Gastwirt B. hat die Ordnungshüter gerufen, weil er neulich brav räumen wollte, die anderen aber nicht und diese ihn im Gegenteil dazu brachten, die Möbel wieder rauszustellen. Soviel zum eingangs erwähnten Zusammenhalt, natürlich sorgt diese Aktion für neuerliche Spannungen bzw. so einfach ist das alles eben doch nicht.

A.,K., W. und ich jedoch sind im Urlaub und fahren für eine bessere Stimmung um das Amari-Becken.
Während der Ausfahrt halten wir für ein frühes Abendessen in einer pittoresken Bergdorftaverne, in der allerhand Produkte zum Trocknen ausliegen oder aufgehängt sind. Obst, Gemüse und Kräuter, aber auch Schnecken und ähnliches Kleingetier, es gibt hier quasi nichts, was nicht mumifiziert wird, um daraus sinnlose Dekogegenstände herzustellen.
Die Bedienung erweckt den Eindruck, als rauchte sie ab und zu einige der getrockneten Dinge und hin und wieder vergisst sie, uns einige der bestellten, sehr leckeren Speisen zu servieren, aber wenigstens singt sie und ist sehr freundlich dabei.

06.06.

Third von Portishead ist nun endlich heruntergeladen, das und Radioheads Kid A drücken mir am Strand bei aller natürlich vorhandenen Melancholie zusätzlich über Kopfhörer auf die Tränendrüse (scheiß auf Black Metal, DAS ist mal harte Strandmusik), denn für A. und mich ist es der letzte vollständige Tag hier.
Währenddessen tobt sich schräg hinter uns auf der Promenade Gastwirt B. an seiner Pergola aus, er hat sie einmal mehr komplett freigeräumt und reißt nun die gesamte Holzkonstruktion ab, mehrere Hilfsarbeiter versuchen, das Dach mit Hämmern und Stemmeisen zu zerstören. Teilweise stehen sie dabei auf dem Dach und einmal, während sich einer der Arbeiter immer noch dort oben befindet, stürmt B. mit einer laufenden Motorsäge heran, um einen der Pfosten anzusägen.
Aber alle bleiben wie durch ein Wunder unverletzt, am Ende stürzt nur das Gebilde in sich zusammen.


Was vom Gebilde übrig ist

07.06.

Unser M. hat uns mit dem allseits verpönten Handtuchtrick die letzte Reihe seiner Liegen freigehalten, diese sind heißbegehrt, denn sie sind im Gegensatz zu den sich weiter vorne befindlichen einfachen, alten Liegen nagelneu, gepolstert und komfortabler. A., K., W. und ich probieren sie ein paar Stündchen aus und sind zufrieden, schweigen uns aber an, denn nach soundsoviel Tagen des Zusammenseins ist alles gesagt.
Einige Meter weiter reißt der nächste Wirt seine Pergola ab, A. und ich reisen ab.

Bis zum nächsten Mal.

 

Posted by katarrh, 0 comments

Alte Menschen, alte Lieder

Villeneuve ist am 1. Mai extra nach Hamburg gekommen, wir wollen am Abend zu Jawbreaker ins Docks gehen und tun dies auch.

Diese Musikgruppe war in den 1990ern in irgendeinem punkbezogenen Underground recht groß, Villeneuve war und ist ein großer Fan von ihnen und ich hörte mir in der Vergangenheit auch mal ein paar Songs an. Aus Protest aber nicht mehr, denn der Sänger Blake Schwarzenbach rempelte mich 1995 vor einer Eisdiele in Berlin rüde an, weswegen mir meine schöne Kugel Schlumpfeis aus der Waffelhalterung auf die Straße ploppte (die Folge: Jede Menge Blechschaden, zwei Schwer-, drei Leichtverletzte und die Farbe seines frisch gestochenen Tattoos ging nie mehr aus meinem weißen Metallica-Shirt heraus).

Aber das ist lange her, ich bin mir zudem nicht mehr sicher, ob sich das wirklich so zutrug und meiner Meinung nach besaß ich damals lediglich zwei weiße Band-Shirts und keines davon war von Metallica.
Das Docks ist angenehm gefüllt, denn es sind ausschließlich über 40-Jährige anwesend und der Veranstalter möchte diesen nicht zumuten, zu dicht gedrängt stehen zu müssen, weil man in diesem Alter das nicht mehr abkann und deswegen die Stimmung schnell kippt. Die Luft ist ganz gut, es riecht nicht allzu streng nach alten Menschen, von denen sich manch einer bereits ein Bier im 1-Liter-Becher geholt hat, damit er sich nicht so oft mit seinen in die Jahre gekommenen Beinen auf den weiten und anstrengenden Weg zum Tresen machen muss.

N., die früher für ein Musikmagazin für die Jugend journalistisch tätig war und heute für eine Art Erwachsenenzeitung schreibt, läuft uns über den Weg; die Freude ist groß, denn Villeneuve ward seit 18 Jahren von ihr nicht mehr gesehen. Doch lange können wir uns nicht miteinander unterhalten, denn pünktlich um 20 Uhr beginnt die Vorband Beach Slang, deren Frontmann wie ein Jack White für Arme wirkt und mit rotierendem Arm über seine Gitarre schrammelt. „Ein bisschen zu affektiert“, lautet Villeneuves Ü-40-Kommentar dazu, ich bin aber abgelenkt, weil ich mich im Halbdunkel den gesamten Auftritt über frage, wie herum eigentlich meine professionellen Gehörschutzdinger in die Gehörgänge gehören und in dieser schwierigen Mission mit vielen Versuchsreihen beschäftigt bin.
Alles in allem ein okayer Auftritt.

Die Pause vor der Hauptband wird von manch einer Silberzwiebel genutzt, um stöhnend weitere volle Literbecher am Tresen zu erwerben; Villeneuve und ich bleiben aber bei den normalen 0,4-Liter-Trinkgefäßen, schließlich möchten wir in unserem Alter nicht mehr zu schwer tragen müssen.
Dann Jawbreaker – bei den ersten zwei, drei Songs bildet sich vor der Bühne ein Erwachsenenpogokreis, wir hören unschön morsche Knochen splittern. Danach ist aber sowieso Schluss mit dem wilden Getue, denn keiner in diesem Alter hält das länger durch.
Einige Oldies erlernen die Funktionen ihrer modernen Smartphones, verzweifelt wird mit zwei Fingern über das Display gewischt, um die Künstler heranzuzoomen und wie zur Hölle wechselt man nochmal vom Foto- in den Videomodus? Vor uns steht ein grauhaariger Mann mit Brille, der sich auf seinen Bildschirm extra die Gitterlinien einblenden lässt, trotzdem gerät ein jedes seiner Fotos beeindruckend schief. Auch er wechselt ab und zu in den Videomodus, grundsätzlich mitten in einem Song und kurz vor Ende desselben bricht er die Filmerei wieder ab. Sicherlich werden er und einige seiner Freunde in naher Zukunft sehr viel Freude an diesen schrägen Videoschnippseln haben.
Hinter uns sagt zwischen zwei Musikstücken einer zu seinem Nebenmann: „Für Hamburger Verhältnisse ist die Stimmung heute ja ganz gut.“
„Hey, du Idiot, wenn nicht jeder fünfte im Publikum immer diesen blöden Spruch aufsagte, sondern sich stattdessen aufs Stimmungsmachen konzentrierte, wäre die Stimmung eine viel bessere“, lautet meine Antwort, jedoch denke ich mir die nur und schreibe sie jetzt hier auf, wodurch ich die Konzertwelt gleich zu einer etwas besseren mache.
Alles in allem ein sehr schöner Auftritt.

Anschließend gehen Villeneuve und ich im Sorgenbrecher zu „Like A Prayer“ von Madonna vollkommen apeshit. „Body Count’s in the House“ von Body Count kommt auch. Alte Menschen, alte Lieder.

Posted by katarrh, 0 comments

Werbung #2

Sie sind es leid, durch Ihre alten, herkömmlichen Fenster nur in Schießschartengröße nach draußen sehen zu können? Dann sind unsere großen VELFAC Fenster genau das Richtige für Sie.

Sie erfreuen sich gerne an hohen, sommerlichen Temperaturen? Dank der besonderen Isolationseigenschaften der VELFAC Fenster kein Problem: herrschen tagsüber draußen beispielsweise dauerhaft 38° C, halten Sie die VELFAC Fenster ganz einfach 1 – 2 Tage geschlossen und Sie haben diese Außentemperaturen auch drinnen erreicht.

Sie können Ihre verkümmerte, alte Topfpflanze oder Ihre alte, verkümmerte Katze auf dem Fenstersims nicht mehr sehen? Öffnen Sie alle VELFAC Fenster, ebenso wie die auf den anderen Seiten der Wohnung, und der durch die besondere Konstruktion (VELFAC Fenster lassen sich an der Unterseite nach außen hin aufklappen) entstehende starke Luftzug erledigt das wie von alleine.

Sie leiden im Winter an spröden und trockenen Händen? Greifen Sie einmal beherzt an den Griff Ihres VELFAC Fensters und das Kondenswasser verteilt sich großzügig auf Ihrer Haut. Mit beiden Händen verreiben, ah, tut das gut.

Sie berühren mit Ihren Fingerspitzen gerne weiche, flauschige Oberflächen? Nun, da ihre alte Katze nicht mehr ist, streichen Sie einfach mit den Fingern über die Schimmelgebilde an den Rahmen Ihrer VELFAC Fenster, nachdem Sie das Kondenswasser irgendwie wegbekommen haben.

Sie mögen die Minustemperaturen in der kalten Jahreszeit nicht? Bleiben Sie einfach zuhause und halten Sie Ihre VELFAC Fenster geschlossen, Sie bekommen sie aufgrund der eingefrorenen Griffe sowieso kaum noch auf.

Sie lassen gerne Fenster putzen? Während Sie kritisch dabei zusehen, wie die kleinwüchsige Billigputzfrau aus Polen auf dem Fenstersims stehend darüber rätselt, wie sie die Reinigung Ihrer monströsen, einmal komplett umklappbaren VELFAC Fenster angehen soll, stellen Sie fest, sie ist für diese Arbeit absolut ungeeignet – kein Problem, Sie wissen schon, einfach auf allen Seiten der Wohnung die VELFAC Fenster öffnen und für ordentlich Frischluft sorgen.

Kontaktieren Sie uns noch heute und bestellen Sie schon morgen Ihre Fenster von VELFAC (gesprochen: „well, fuck“).

Posted by katarrh, 0 comments