20.05.
Am wuseligen Flughafen in Iraklio angekommen, herrscht dort großes Gedränge am Gepäckausgabeband, es werden vereinzelt Koffer angelupft, manch einer reißt ein oder mehrere Gepäckstücke hastig an sich, andere Stücke wiederum gehen wegen Nichtgefallens wieder zurück aufs Band. Im weiteren Verlauf spielen sich bei einem Ehepaar dramatische Szenen ab, weil es als allerletztes ihre Koffer ausgespuckt bekommt; die Frau ist verzweifelt und den Tränen sehr nahe. Wir erhalten unsere Sachen direkt vor ihnen, quasi als Vorletzte und triumphieren, frohlocken und legen einen kleinen Siegestanz hin.
Während ich später mit dem Gepäck draußen vorm Ausgang auf meine Reisebegleiterin A. warte, die drinnen die Formalitäten für unser Mietauto erledigt, geht ein ca. 60 jähriger Mann mit ca. ebenso alter weiblicher Begleitung an mir vorbei, auf seiner Jacke prangt in großen Lettern „Thor Steinar“. Werde von nun an jeden deutschen Touristen verdächtigen, böser Nazi zu sein, egal ob langhaariger Hippietyp im Batikkleid oder Powertourist, ausgestattet mit Bürstenhaarschnitt und Wanderschuhen.
21.05.
Wir sitzen abends im Ort mit vielen Deutschtouristen vorm Fernseher, Pokalfinale, Elfmeterschießen, irgendwer gewinnt. Die Idiotenquote unter den Public Viewenden ist dabei erstaunlicherweise erfreulich gering, doch irgendwann während des laufenden Spiels betritt die 10 Mann/Frau starke Deppengruppe vom letzten Jahr die Bühne. Das lief so ab, im letzten Jahr: in diesem Laden hier, der uns auch als Frühstückslocation dient, saßen die immer morgens auf der Terrasse, frühstückten und redeten laut blödes Zeug; wir saßen, getrennt durch einen Weg, der „Promenade“ weiter unten unter den Strandpavillons, frühstückten und waren selbstverständlich dezent leise. Im weiteren Morgenritualverlauf setzten sich dann einzelne von denen in unsere Nähe in die Sonne, um zu rauchen und noch mehr deppertes Zeug von sich zu geben. Ob es dieses Jahr wieder so abläuft?
22.05.
Ja, läuft es.
–
Ich reiße mir im Nachbarort Matala an einem schwergängigen und scharfkantigen Schließmechanismus einer Klotür den Finger auf, die Wunde hört nicht auf zu bluten. Um mich zu ärgern, kauft A. mir eine Packung Disney-Pflaster, Goofy rettet meinen Finger. Ich versuche, mir nichts daraus zu machen, schließlich sehen ungefähr 85% der anderen Touristen noch bescheuerter aus. Allerdings bleibt Goofy nicht lange kleben, in den nächsten Stunden Minnie Maus, Donald Duck in Folge. Für die Nacht nochmal Minnie Maus.
23.05.
Gestern Abendessen bei Pelagos, an einem Tisch in der Nähe zu unserem saß eine Familie mit zwei Töchtern. Der Vater trug eine beknackte Ponyfrisur und Brille und starrte durch diese hindurch Leute an: uns, andere und zeigte dabei keinerlei Emotionen. Doch auf einmal lachte er auffällig laut über seine Kinder, dann standen sie alle auf und verließen die Taverne.
Heute fahren wir zur nur zu Fuß durchquerbaren Agiofárango Schlucht, die Straße dorthin sehr schotterig, im weiteren Verlauf ist sie sogar in einem derart bösen Zustand, dass sich die meisten Urlauber gezwungen sehen, vorher ihre Autos abzuparken und die restlichen 30 Minuten oder so zu gehen. Nicht so A. und ich, wir knattern natürlich mit unserem Suzuki Jimny bis direkt vor den Schluchteingang, dabei tauchen vor uns Psycho Daddy und seine Familie auf, deren Mietgurke irgendwo vorher auch versagt haben muss. Die eine Tochter sieht es aber gar nicht ein, uns durchzulassen, aufgeblasen und mit emporgerecktem Näschen stolziert sie erstmal ein Weilchen vor uns mittten auf der schmalen Straße her, bis sie von Daddy ermahnt wird.
Später, in der schönen Schlucht gibt es kilometerlang Oleanderbüsche, Felsen, Höhlen, einen Trinkwasserbrunnen, Glöckchenziegen, in schwindelerregenden Höhen wahnsinnige Bergsteigerleute und am Ende eine Bucht mit Strand, wie so oft auf Kreta, gähn. Nach einiger Zeit am Strand fragt mich A., wo denn Psycho Daddy und Anhang bleiben, die hätten doch inzwischen längst hier ankommen müssen.
Auch auf dem Rückweg durch die Schlucht ist von ihnen kein Lebenszeichen zu entdecken. Immerhin sind die verrückten Bergsteigerleute wieder heil unten angekommen und lösen durch ihr lautes Jubelgerufe beinahe Gerölllawinen aus.
Abendessen bei Avra. Während wir uns durch unsere Vorspeisenzusammenstellung wühlen, schlurft auf einmal Psycho Daddy – alleine – an uns vorbei, die Ponyfrisur zersaust, der Blick wirr, über seinem linken Arm hängen Mädchenklamotten. Seltsam ist das schon.
25.05.
Sofern es Alter und Zustand ihrer Fahrzeuge zulassen, sind alle Griechen motorisiert rasanter und flotter unterwegs als die Urlauber mit ihren zumeist quietschbunten Mietkleinwagen, die für die Einheimischen einen relativ anspruchslosen Hindernisparcour darstellen, egal ob sie mit Motorrädern, Limousinen, Pick-ups, Kleinwagen, Kleinbussen, furchteinflößenden Riesenbussen etc. auf fiesen Serpentinenstrecken herangerauscht kommen.
Ich hingegen versuche, mich eher am heimischen Fahrstil zu orientieren und krieche daher ähnlich lahm über Asphalt und Schotter wie die anderen Touris auch.
26.05.
Das ist aber nur die Halbwahrheit, tatsächlich resultiert diese Fahrweise aus dem Wissen, je zackiger sie ist, desto wahrscheinlicher wird es A. als Beifahrerin angst und blümerant zumute. Mache ich mit dem Automobil eine Tour alleine – so wie heute geschehen – pflege ich einen eher griechischen Fahrstil, wenigstens den eines Griechen, der auf der offenen Ladefläche seines Pick-ups zwei lebende Schafe geladen hat und immerhin umsichtig genug um die Kurven heizt, damit die Tiere gerade eben so nicht von der Ladefläche kippen.
Während meines Kurztrips lande ich in einem verschlafenen Bergdörfchen, ich setze mich dort auf einem Platz im Schatten eines Baumes vor ein Café, der obligatorische Sitzopa nickt mir nett zu, die Bedienung spült ein schmutziges Colaglas an dem Bergquellwasserbrunnen hinter mir aus, stellt es mir hin und dabei fest, es ist immer noch dreckig, sie spült es noch einmal aus, ich gieße mir meine Cola ein, der Brunnen sprudelt und plätschert, neben mir fiept und quietscht ein junges Hundi ganz niedlich bis herzerweichend.
28.05.

Endlich am Urlaubsziel angekommen, zieht es manch einen gleich unter einen einsamen Sonnenschirm, noch nichts ahnend von den mannigfaltigen Vergnügungsmöglichkeiten direkt hier, am Strand
29.05.

Fährt man abgelegene Bergstraßen entlang, kann es passieren, man kommt an scheinbar verlassenen, satanischen Ziegen(ok)kultstätten vorbei: ist man einmal aus dem Auto ausgestiegen und hat sich anschließend den Weg über Geröll- und Ziegenknochenhaufen gebahnt, weiß man bald nicht mehr, ob der andauernde Summton in der Luft von den zahlreichen, benachbarten Bienenkästen stammt (nicht im Bild) oder doch von den Gestalten mit langen Kutten und tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen, die sich plötzlich vor einem materialisieren (auch nicht im Bild, da uns die Furcht lehrte, schnell aufzubrechen)
30.05.
Hier in der Gegend gibt es zahlreiche Aussteiger-/Hippietypen, die teilweise in Felshöhlen leben oder im benachbarten, bunten Peacedörfchen Matala (teilweise in Felshöhlen). Jede/jeder von ihnen trägt Batikklamotten und lange, graue und verfilzte Haare. Sie sehen alle gleich aus, egal ob Mann, Frau oder Kind. Da mir das alles vollkommen fremd ist und von mir völliges Unverständnis erntet, kaufe ich mir am Abend eine kleine, farbenfrohe Hippietasche mit Peacezeichen und lege von nun an täglich für ein paar Stunden meine Hand drauf, in der Hoffnung, einige der Wellen dieses Lebensgefühls sowie dieser Haare mögen so auf mich überspringen.
01.06.
A., der junge Kellner in der Bar unserer Unterkunft, sagt inzwischen jedesmal, wenn er mich trifft: „Bis später, Alda“ (das hat ihm vermutlich seine deutsche Freundin beigebracht) oder: „Bis später, Digga“ (das habe ziemlich sicher ich ihm beigebracht). Die herumstehenden und – sitzenden Griechen kichern sich dann immer eins, immerhin.
03.06.
Wir waren seit unserer Ankunft in Kalamaki ein paar Male in der neuen und, wie sich jetzt herausgestellt hat, gefährlichsten Taverne im Ort, in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer Unterkunft. Dort gibt, äh, gab es sensationelle Zucchinibällchen und -chips, es handelte sich sozusagen um den neuen Stern am Zucchinihimmel. Die anderen Vor- und Hauptspeisen schmeckten auch gut bis sehr gut. Leider war diese Taverne stets schlecht besucht, der schüchterne und unsicher wirkende Wirt, der regelmäßig mit verschränkten Armen vor seinem Lokal herumstand, trug sicher seinen Teil dazu bei (wie auch der gemeine Tourist, der ohnehin lieber wiederholt in Läden einkehrt, die sich seiner Ansicht nach schon bewährt haben auch dafür verantwortlich gemacht werden kann, ja muss). Aber wann immer wir einige Worte mit ihm wechselten, war er sehr nett.
In dieser Nacht, wir haben uns bereits zum Schlafen hingelegt, ertönt von unten, von der „Promenade“ ein fürchterliches Geschrei, beteiligt sind eine hysterische, kratzig-heisere und verzweifelte weibliche Stimme und mehrere laute Männerstimmen, Schmerzenslaute. Ich befinde mich gerade aber schon im Halbschlaf und in einem fortgeschrittenem Stadium der körperlichen wie geistigen Erschöpfungs- und Alkoholmattheit und bin unfähig, mich zu rühren oder aufzustehen; im Wissen, du unten passiert etwas Schlimmes, schlafe ich sogar ein.
Am nächsten Tag wird uns folgendes zugetragen werden: die Frau des Wirtes stach ihm mit einem Messer dreimal in den Bauch, einem Mann, der dazwischen gehen wollte, schlitzte sie den Unterarm auf; es gab unbeschreibliche Szenen. Danach Krankenwagen, Polizei, Festnahmen.
Damit dürfte bedauerlicherweise die wohl in der Vergangenheit mit erheblichen Problemen belastete Familie endgültig zerstört sein, es stellt sich vor allem die Frage, was wird aus der sich noch im Kindheitsalter befindlichen Tochter. Der Wirt wurde ins Krankenhaus gebracht und lebt, der Arm des zu schlichten versuchenden Mannes wurde mit 24 Stichen genäht.
Zerstört ist auch der Versuch, sich mit dieser Taverne eine neue Existenz aufzubauen, geschlossen, still und unheimlich steht sie nun da.
04.06.
Reisebegleitung A. möchte am Samstag Vormittag/Mittag immer auf den Markt in Mires, ich füge mich diesem Schicksal und komme jedesmal mit, aber nur, weil das anschließende Souvlaki-Essen in einer bestimmten Taverne bei uns zur Tradition verkommen ist.
Nach dem Schlendern über den Markt an der Taverne angekommen, ist es dort auf der Außenterrasse wie immer brechend voll und da diesmal K. und W., zwei der wenigen guten Miturlauber (liebe Grüße!) dabei sind, stellt es eine außerordentliche Herausforderung da, Sitzgelegenheiten für vier zu bekommen. Aber an einem Tisch bezahlt gerade eine größere Gruppe und ich bringe mich in Warte-, Lauer-, ach Quatsch, Angriffsposition. Warum dauert es überall immer so lange, bis Leute aufstehen, nachdem sie bezahlt haben? Während ich also warte, lauere, ach Quatsch, angreife, registriere ich, zwei andere Touris haben es ebenfalls auf diesen Tisch abgesehen. Plötzlich wird er frei und die beiden und ich stürmen gleichzeitig auf ihn zu, ich möglicherweise mit einer Fußlänge (Größe 46) im Vorteil. Ich tue so, als hätte ich die Konkurrenten gar nicht bemerkt und knalle souverän meinen Rucksack auf den einen und mich selbst auf einen anderen Stuhl; hasserfüllte Blicke bohren sich in meinen Nacken. Rücksicht ist jedoch an diesem Platze fehl an selbigem.
Ein sehr alter und sehr freundlicher Grieche, der an dieserm Ort immer sitzt, weil er in dem Laden quasi wohnt, erkennt A. und mich wieder, er erhebt sich und kommt zu uns rüber, begrüßt uns und stellt uns Fragen, alles auf griechisch, wir verstehen wie immer kein Wort. Wir nicken und lächeln höflich und dämlich; letztes Jahr verlief das schon ganz ähnlich, da ging er irgendwann in seine Wohnung, um kurze Zeit darauf mit einer Tomate wiederzukommen, die wir unbedingt probieren sollten. Dieses Mal kehrt er mit einem Teller aufgeschnittener, mit grobem Salz gewürzter Gurke und mit zwei recht großen Gläsern, gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit zurück. Aus Gläsern dieser Größe trinken die Besucher hier normalerweise Wein, in unseren ist Wasser drin, also kretisches Wasser, das heißt Raki. Und das mittags, es ist alles schon wieda viel zu geilz hier, aso HERRLICH, erlichj, bnz°
06.06.
Unser Gastwirt M. beschließt gegen Mitternacht, die Bar dicht zu machen, die letzten Gäste haben den Laden ohnehin soeben verlassen. M. ordnet streng an, wir machen Männerabend in Matala, weil da, im Gegensatz zu hier, auch nachts noch was los ist. Wir, das sind er, Jungkellner A., der Stammgast T. und ich.
M. chauffiert uns in seinem Auto hin, sein Fahrstil ist komplettgriechisch und er fährt auf der Strecke einem langsamen Fahrzeug sehr dicht auf, die Stoßfänger berühren sich beinahe. Als sich nach einigen Metern die Gelegenheit zum Überholen bietet, tut er das, dabei touchiert er fast die Flanke des anderen; lässig schüttle ich mit der Hand einige Angstschweißtropfen weg. Im Ort angekommen, wankt uns ein Betrunkener vor den Kühlergrill, er versucht aber, nach rechts auszuweichen, M. macht mit seinem Wagen absichtlich ebenso einen Schwenk in diese Richtung, worauf Hackedicht nach links torkelt; hämisches Gelächter erfüllt den Fahrzeuginnenraum. Anschließend brettert M. an einem Durchfahrt-Verboten-Schild vorbei und solange weiter, bis die Straße zu eng für das Auto wird und er es vor einem Rolltor abstellt.
Wir folgen M. zu Fuß, der auf dem Weg ab und zu ehrfürchtig dreinblickenden, händewedelnden Tavernen- und Barbesitzern und Kellnern zurückwinkt, zu einer Piratenbar. Beschallt von Oldschoolrockmusik, die an diesem Ort wahrscheinlich unverändert schon seit mindestens 20 Jahren so von einer Art DJ gegeben wird, bestellt er uns die erste Runde. Ich bekomme ein Bier vom Fass, es heißt einfach nur „Pils“. Dire Straits, super. Jungkellner A. macht auf der Tanzfläche Faxen und stellt uns ab und zu prall gefüllte Tequilagläser hin, immerhin trinkt M. als Fahrer aber alkoholfreies Bier. Auf mich geht die zweite Runde „normale“ Getränke, mein zweites Pils-Pils schmeckt gar nicht mal so gut, noch schlimmer als das erste.
Wir ziehen um in eine weitere Bar, dort ordere ich irgendein anderes Fassbier, es ist geringfügig besser. An einem Nachbarbartisch sitzen/stehen zwei blonde Frauen und M. findet, die eine mit der Brille schaut andauernd zu Stammgast T. herüber, weshalb er A. beauftragt, zwei Getränke für die Frauen zu bestellen und diese auf ihrem Tisch zu platzieren. Als sie sich fragenden Blickes umsehen, deutet M. augenzwinkernd und verheißungsvoll auf T., der sich nun genötigt sieht, zu den Frauen rübermachen zu müssen. Irgendwas vor sich hingrummelnd geht T. also hin und wird von nun an mit der einen reden, nämlich mit der ohne Brille, die ihn nicht die ganze Zeit angeschaut hat. Die mit wirkt im weiteren Verlauf zunehmend genervter, obwohl die Unterhaltung zwischen T. und der ohne Brille eher verkrampft anmutet; wir beobachten alles und schütteln abwechselnd mit den Köpfen oder lachen. A. beschwert sich bei mir über die mangelhafte Qualität des German Anmachens und fragt mich, ob ich nicht mal tanzen gehen möchte. Ich überlege, wie kompliziert es wird, ihm auf englisch zu erklären, dass ich zu Modern Talking (es läuft gerade das fünfte Stück dieser German Erfolgstruppe in Reihe) nicht mal ironisch tanzen könne und sage „nein“. Irgendwer stellt mir zur Abwechslung ein richtig gutes Bier (aus der Flasche) hin, leider auch einen Tequila. Ich denke kurz darüber nach, diesen in den Pflanzenkübel neben mir zu gießen, leider erst, nachdem ich ihn getrunken habe. T. kehrt zu uns zurück, schimpft ein wenig mit M. und A. und die Damen wollen nach Hause gehen, dabei kippt aber die, die sich mit T. zuvor unterhalten musste (bzw. umgekehrt) aus Gründen der Volltrunkenheit beinahe um und muss von ihrer Freundin stark gestützt werden.
Wir gehen zum Auto, währenddessen registriert A., der eingeschlagene Weg ist nicht der geschickteste, da er an einer Bar vorbei führt, in der ihn Leute kennen, die an ihn und wahrscheinlich auch an uns in Schnapsgläsern ihren schlimmen Raki loswerden wollen, weshalb wir einen Schleichweg nehmen, der durch eine dunkle Gasse führt, von deren Existenz ich trotz zahlreicher Matala-Besuche bis dato nicht einmal geahnt habe. „The worst Raki of all the times“, as A. says.
Rückfahrt, wir fahren an den beiden schlingernden Ladies vorbei, T. ruft: „NONONONO!“, M. lässt trotzdem das Fenster herunter und blablabla.
Nun aber wirklich die Rückfahrt, auf der sich M. und A. über jugendgefährdende Dinge unterhalten. Women, men, fucking.
07.06.
Na sowas. Die Belegschaft von nebenan ist – bis auf die Messerfrau – wieder komplett da und hat die Taverne wieder eröffnet. Auch der Wirt ist aufs Neue mit dabei, M. erzählt uns, er wurde an diversen Stellen in der Bauchgegend genäht. Ich versuche mir vorzustellen, welche körperlichen und psychischen Schmerzen er ertragen muss, anmerken lässt er sich jedoch nichts. Das ist alles erstaunlich genug, aber was will er machen, wenn seine Familie und er auf die Einnahmen angewiesen sind. Wenigstens geht’s irgendwie weiter. Die Messerfrau sitzt jedenfalls im jail, wie M. sagt.
–
Auch wieder da sind die hessische Scheißebabbleh, ein wenig hatte ich sie schon vermisst, jetzt da sie wirklich angereist sind, fehlen sie mir schon wieder nicht mehr. Die hessische Scheißebabbleh bestehen aus ca. 15 größtenteils lauten, aufdringlichen und unförmigen Leuten, die nur Mist verzapfen. Wir können das definitiv beurteilen, denn wir hatten in unseren vergangenen Urlauben hier schon zwei-/dreimal das Vergnügen und schließlich handelt es sich bei denen um diesen unangenehmen Menschengruppenschlag, von dem wir, auch wenn wir vier, fünf Tische weiter entfernt sitzen, garantiert jedes einzelne Wort mitbekommen. Sie halten ihr Gebabbel für zwangsläufige Mithörer anscheinend für so wertvoll und intellektuell herausfordernd, zumal sie, wenn sie denn mal für einige Minuten still sind (Stichwörter hierzu: Strandtag, mittags, erstes Bier in‘ Kopp) schlaue Bücher mit Biographien von Dieter Bohlen oder Fantastereien von Peter Scholl-Latour drin lesen.
–
Ebenfalls jede Form der Selbstachtung verloren haben Leute, die beim Mittag- oder Abendessen sitzen und Tierlaute (miau, wiff) machen, weil sich in ihrer Nähe gerade entsprechende drollig dreinblickende Bettelviecher aufhalten. Und ich gucke jedesmal hin, wenn das passiert, Hass.
08.06.
Meine Reisebegleitung A. möchte heute keine Ausfahrt mit dem Jimny machen (Stichwort: Strandtag), also fahre ich alleine los. Eine größere Tour steht an. Eine größere Tour bedeutet: ich werde für etwas mehr als 60 Kilometer knapp über zwei Stunden brauchen. Denn der Trip führt über Asphalt und hauptsächlich Schotter ins Gebirge, durch Serpentinen, vorbei an furchteinflößenden Abgründen, über Geröll und durch Glöckchenziegenherden zur Zeushöhle Ideon Andron. Ab und zu schlägt mir mein Schlaumeiernavi sogar vor, ich möge direkt durch Häuser oder grobe Felsformationen durchfahren.
Einmal trotz aller Widrigkeiten dort angekommen, kann man sein Fahrzeug auf einem Parkplatz einer Taverne abstellen und zu Fuß einen schmalen Weg zur Höhle hochgehen. Dieser führt über grobe Steine und ist beschwerlich, zeit- und kräfteraubend (Dauer ca. 15 Minuten, Omas kommen mir entgegen). Oben bekomme ich den berühmten Humor der Griechen zu spüren: es ist gerade mal 15:30 und die Kassenhäuschen sind unbesetzt, das Eisentor verschlossen (natürlich waren die mir zuvor entgegengekommenen Omas nicht so nett, mir dies mitzuteilen). Meine Reaktion darauf bewegt sich irgendwo zwischen „Muss ich wohl mein Buchprojekt ‚Ideon Andron: Meine bewegende Pilgerreise zur Zeushöhle‘ auf Eis legen“ und „Mein Gott, es ist nur eine Höhle“.
Just als ich den Rückweg nach unten antreten will, fahren Arschlochtouristen mit ihrem spielzeugroten Mietwagen bis direkt vors Tor vor und ich versuche mich zu schadenfreuen, weil es ja immerhin verrammelt ist. Als ich mich nach einigen Metern umsehe, sind die blöden Arschlochtouristen gerade dabei, übers Tor zu klettern. Fühle mich tiefengedemütigt. Zeus, mach was. Blitze und so.
09.06.
Es ist unser letzter ganzer Tag hier, wir gammeln etwas herum und bekommen von M., unserem Gastwirt, zum Abschied einen und von M., der Wirtin unserer Frühstückslocation, sogar zwei Liter selbstgemachtes Olivenöl geschenkt. Vielen Dank. Möglicherweise gibt das morgen früh am Flughafen ein großes Hallo an der Kofferwaage bei der Gepäckaufgabe.
10.06.
Nö, gibt es nicht, alles im Rahmen. Gepäckaufgabe in Rekordzeit.
Am Flugzeug sind nach der Busfahrt zu diesem, wie so oft, die Reisenden zu dumm, in den Vogel einzusteigen. So steigen ca. 85% der bescheuerten Leute vorne ein, egal ob sie anschließend vorne oder hinten sitzen. Im Flieger dann bitten die Stewardessen die Fluggäste, erst Platz zu machen und zu nehmen und ihr Handgepäck danach erst oben in den Dingern zu verstauen, damit alles etwas schneller geht und die anderen, nachfolgenden Passagiere durchkönnen. Natürlich kommt kaum jemand der Brotnasen dieser Bitte nach und die ältere von den Flugbegleiterinnen schüttelt ob dieser geballten Dumpfbackigkeit heftig ihren Blondkopf und ranzt den einen oder anderen auch schon mal an. Meinen Segen hat sie, außerdem sieht sie so aus, als sei sie stark am Glas.
Landung in Hamburg, der flinke griechische Pilot verschätzt sich bei irgendwas ein wenig, weshalb er nach ein paar Metern nochmal recht rustikal die Vollbremsen reinhaut. Von ein paar Plätzen macht es: „Huch!“ und: „Uiuiui!“ und ähnliches, trotzdem gibt es vereinzeltes Landungsgeklatsche. Kaum etwas geht über dieses Glücksgefühl beim Verlassen eines Touristenbombers.
–
Sehr schön war’s, vielen Dank für alles an A., K., W., M., A., T., M. und wie sie abgekürzt alle heißen.