Die 3-Klopapierrollen-Regel (Nachtrag des Kreta-Urlaubtagebuchs von 2023)

17.05.

Am Tag zuvor gab es ein Problem: K. und W. waren etwas nervös, weil sie schon seit längerer Zeit versucht hatten, sich mit dem Vermieter ihrer Unterkunft, die sich neben der unseren befindet, in Verbindung zu setzen, diesen aber nicht erreichen konnten und er sich auch nicht zurückmeldete. Sie wollten sich nochmal rückversichern, ob die Buchung ihres Zimmers erfolgreich war, sie hatten hierzu Monate zuvor lediglich irgendeine knappe WhatsApp-Nachricht erhalten.
Also rief ich gestern aus Deutschland unseren Gastwirt M. auf Kreta an. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeitsfloskeln, ihm ginge es „perfect“, mir „very fine“ usw., fragte er mich, was ich eigentlich wolle, ein großes Bier oder wie oder was. Das auch, behauptete ich, aber der Grund, warum ich anriefe, sei ein anderer und schilderte ihm mein Anliegen. Er kümmere sich darum und erkundige sich und riefe mich in 5 Minuten zurück, versprach er.
Ca. 3 Minuten später vibrierte mein Smartphone und M. versicherte mir, alles sei gut, aber unsere Buchung bei ihm könnten wir dafür vergessen. Wir lachten beide und legten auf.

Alles an dem Hinflug, der wegen diverser Umbuchungen seitens der Airline und nach einigen Downgrades nun einen Tag später als geplant stattfindet, ist schrecklich. Ich sitze eingeklemmt auf einem Mittelsitz, ich habe keine Lust auf Körperkontakt und auch nicht darauf, 3 1/2 Stunden den Ellbogen meines fremden Nachbarn wegzudrücken und starre mit von einer abklingenden Erkältung herrührenden Kopfschmerzen eine graue Wand direkt vor mir an, während sich meine Nase mit allerhand eklem Glibberkram füllt. Es ist deprimierend.
Wir kommen erst gegen 22 Uhr in Kalamaki an, aber wenigstens sind wir nun da, und auch K. und W. haben ihr Zimmer ohne Schwierigkeiten beziehen können.

Beim späten Abendessen bei Athivoles knallt, grummelt und wackelt es. Ein Erdbeben der Stärke 4,2 will uns also zudem herausfordern.

18.05.

Jungkellner A. ist auch wieder da, er arbeitet in der Bar unserer Unterkunft allerdings nur noch in Teilzeit. Ihm ginge es gut, sagt er, zeigt aber auf seine Haare, die immer grauer und weißer werden. Dennoch sehe er blendend und jung wie immer aus, erzähle ich ihm. Er wird für immer mein Jungkellner A. bleiben.

Im neuen Restaurant „Mythos of Aphrodite“ (Himmel, wer denkt sich solche Namen aus?) wackeln die Wände, Gläser fallen aus den Regalen und zerschellen klirrend auf dem Boden, und alle rennen nach draußen. Stärke 5,1.
Es ist eine unruhige und wacklige Nacht, ca. 13 Erdbeben sind es, die uns provozierend vom Schlaf abhalten.
Am nächsten Tag sollte uns W. berichten, er habe sogar eine Eruption erlebt, das Abendessen sei ihm wieder hochgekommen.

19.05.

Neuankömmlinge sind diesmal leicht von allen anderen zu unterscheiden: Einheimische wie länger anwesende Urlauber zeigen sich besorgt ob der andauernden Erdbeben und ergehen sich zum Teil in apokalyptischen Fantasien, die Neuen unterhalten sich lieber über die sogenannten „Klimakleber“. Sie bekräftigen sich gegenseitig in ihrer Meinung, man müsse diese Chaoten mal so richtig usw., der Autor dankt für diese wunderbare Klischeeerfüllung.
Chefin R., die Ehefrau unseres Gastwirts M., beruhigt A. und mich ein wenig, indem sie uns berichtet, die Experten seien vorsichtig optimistisch, weil es Anzeichen für ein Sich-Beruhigen der Erde gebe.
Jungkellner A. habe letzte Nacht auch nicht geschlafen, wie er sagt, denn er habe Sex gehabt. Na ja, letztendlich wegen Sex und Erdbeben, gesteht er nach kurzem Zögern ein.
Der Rest des Tages verläuft ruhig, in der Nacht jedoch, ausgerechnet wieder in der Nacht, eine 4,4. Kann man denn hier nie einmal vernünftig durchschlummern, Herrgottsack.


Achtung Spoiler: Erdbeben einfach verschlafen? Ja, das ist möglich

20.05.

Es gibt sie noch, die positiven Erlebnisse mit deutschen Touristen: Auf dem Markt in Mires tritt ein glatzköpfiger Herr auf mich zu, vorurteilsbehaftet wie ich bin, denke ich: „Was kann der jetzt nur Dummes von mir wollen?“, doch er deutet auf mein T-Shirt mit dem Emblem vom FC St. Pauli und brüllt: „Das ist das erste vernünftige Shirt, was ich hier sehe!“
Ich bedanke und verneige mich, wie es sonst wahrscheinlich nur Japaner tun, dabei hat er eigentlich nicht ganz recht, denn bereits gestern sprach mich ein Angestellter des zur Ausgrabungsstätte Festós gehörenden Cafés auf mein Better-Call-Saul-Shirt an: „Nice shirt you have.“
Ich (freudig erregt): „Thank you. You know this show?“
Er: (empört): „Of course, we also have Netflix here!“
Ich (realisierend, wie sackdoof meine Frage war): „Yes, of course, I know, I know!“
Er zeigte sich danach versöhnlich und es folgte ein kurzes Fachsimpeln über eine der besten Serien aller Zeiten. Mit den Griechen gibt es aber generell fast nur positive Erlebnisse.

Eine 4,2, natürlich wieder in der Nacht, aber es wirkt an dieser Stelle falsch, mich darüber zu beschweren, denn A. und ich verschlafen das Beben diesmal einfach.


Links-grün versiffter Zeckenverein schön und gut, aber muss er immer gleich mit einem Heiligenschein dargestellt werden?

21.05.

Das Klopapier in unserem Zimmer geht zuneige, und dennoch hat der Room Service kein neues nachgelegt. Da ich die hierfür zuständige Frau in der Nähe abfangen kann, frage ich sie, ob wir Nachschub bekommen können. Sie überlegt lange und teilt mir dann mit ernster Miene mit, es gebe für jedes Zimmer nur 3 Rollen, danach müsse man, wenn man neues benötige, dieses selbst kaufen. Ich zwicke mich, da ich mich in einer unspektakulären aber bizarren Traumwelt wähne, aus der es zu entkommen gilt.
A., K., W. und Gastwirt M. sitzen zusammen, und als ich letzteren frage, ob das so richtig sei, es gebe für jedes Zimmer nur 3 Rollen, danach müsse man sich alles weitere selbst besorgen, werde ich von allen Beteiligten der Sitzgruppe angestarrt, als sei ich dem Wahnsinn verfallen, besonders von M., an den ich meine soeben gestellte Frage erneut richten muss. „This is no joke“, füge ich leicht hysterisch hinzu und: „She just told me this one minute ago.“
M. spricht mit ihr und erklärt uns anschließend, sie sei neu hier und habe zuvor in einem Hotel gearbeitet, in dem es eine 3-Klopapierrollen-Regel gab (?!?!!), weswegen sie davon ausgegangen sei, hier sei dies auch so. Und er habe sich bereits gewundert, warum ihn in den letzten Tagen Gäste häufig um mehr Klopapier baten.
Am Abend setzt sich R., die Chefin unserer Unterkunft zu uns und entschuldigt sich wegen des Zwischenfalls, danach beteuern wir uns gegenseitig, wie geschockt aber auch belustigt wir darüber seien, dass irgendwo da draußen Hotels oder Pensionen mit einer 3-Klopapierrollen-Regel existieren.

Zum Einschlafen eine 3,2.

22.05.

Es folgt eine weitere Variation des Jahr für Jahr beliebten Kopfhörer-Themas: Ich setze sie mir auf, Gastwirt M. nimmt neben mir Platz, höflich nehme ich die Hörer wieder ab, ihm fällt etwas ein, er steht auf und geht weg, also setze ich sie wieder auf, er kommt zurück und leistet mir erneut Gesellschaft, also nehme ich sie wieder ab, um ihm dabei zuhören zu dürfen, wie er am Telefon wichtig klingende Dinge mit seiner Frau R. bespricht, während er zärtlich meine Schulter krault. Ach, hätte ich damals nur an dem Kurs „Griechisch lernen in einer Stunde“ teilgenommen.

23.05.

W. und ich machen heute eine Wanderung von Kalamaki nach Matala, dem von Althippies erschaffenen Paradies für Althippies. Über Geröll und fossile Riesenmuscheln durch eine fremdartige Felslandschaft wie von einem anderen Planeten führt unsere Strecke, höchst konzentriert heißt es, vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen, da uns sonst das extrem scharfkantige Gestein schlimme Verletzungen zufügen könnte (ich komme natürlich bereits zu Beginn bei meinem dritten auf das unwegsame Terrain getätigten Schritt bedenklich ins Schlittern).
Irgendwann blicken wir von hoch oben auf den Zielort hinunter und wundern uns, wo der in der App verzeichnete Weg sei, der von hier hinab führen soll. Nachdem wir ihn gefunden und auf halsbrecherische Weise bezwungen haben, fragen wir uns unten, nach einer insgesamt dreistündigen Wanderung ausgemergelt und vollbärtig geworden, warum uns die Mädels, die im Dorf auf uns gewartet haben, keine großen Kaltgetränke bereit gestellt haben.


An zu vielen Orten werden inzwischen moderne Steinkästen hochgezogen, wenigstens darf man sich beim Hauskauf die Landschaft dazu selbst aussuchen – hier z.B. hat jemand eine schweizerische oder österreichische Hügellandschaft für sein Anwesen gewählt

24.05.

So gehen Ferien: In der Zeitspanne zwischen 10 und 11 Uhr vormittags sitzen 2 unserer Miturlauber mit feuerwehrautoroten Köpfen in der prallen Sonne und trinken jeder je einen Weißwein und dazu je einen Gin Tonic. Dabei sind sie abwechselnd sehr lustig oder dösen sich gegenseitig etwas vor.

25.05.

Zu den beiden Typen, die gestern schon vormittags Weißwein und dazu Gin Tonic tranken, gehören 2 weitere, die erstere auslachen und ein Video von ihnen anfertigen und das nur, weil sie heute Tee trinken. Die Belustigungen schlichter, trinkfreudiger Männer, wer kennt sie nicht.

V., C. und P. sind im Ort eingetroffen. P. sieht völlig anders aus als im letzten Jahr, sie ist größer und hat mehr Haare auf dem Kopf. „Es handelt sich um ein Austauschkind“, bestätigen die stolzen Eltern unsere Vermutung. Dieses sabbert Papas Firmenhandy voll, macht davon Zeitrafferaufnahmen und nimmt anschließend eine Orangenscheibe in den Mund und imitiert einen sprudelnden Brunnen, als sie diese widerwillig ausspuckt.
A. und ich gehen aufs Zimmer und winken zum vorläufigen Abschied, P. winkt zurück, sie ist eine sehr gute Winkerin.

Spät am Abend sitzen V. und C. (P. musste mit ihrem Babyphone auf dem Zimmer bleiben) im Barbereich unserer Unterkunft umringt von Leuten aus Hannover. A., K., W. und ich winken V. und C. zu, worauf eine Frau aus der Gruppe ruft: „Ihr könnt euch gerne dazusetzen!“
Das ist so ein Satz, der, von wildfremden Leuten herausposaunt, bei mir nervöse Zuckungen auslöst und das nicht nur im Urlaub, ich brülle daher: „NEIN, AUF GAR KEINEN FALL DANKE!“
Gerne würden wir V. und C. von ihrem Schicksal erlösen, doch sie werden von der Gruppe umzingelt, sie wird die beiden heute nicht mehr hergeben.

26.05.

Achtung Kultur: Ein Museumstag steht an. Es ist sehr gut, das Archaeological Museum of Messara. Töpfe, Säulen, Büsten, sowas.


Diese Skulptur ist klein, sehr klein – man beachte, hier unter dem Rasterelektronenmikroskop betrachtet, wie groß die Poren des Kieselsteins dahinter vergleichsweise wirken

27.05.

Eine Frau aus der Hannover-Gruppe, die „leider“ nicht dabei sein kann, hat unserem Gastwirt Wollsocken in den Farben der deutschen Flagge gestrickt und einer der anwesenden Frauen den Auftrag erteilt, ihm diese zu überreichen. M. trägt sie nun und präsentiert sie uns, indem er seinen Fuß auf unser Bartischchen stellt.
Die Frau, die sie ihm gegeben hat, steht spionierend in unserer Nähe herum und lädt uns zur Karaoke ein, die sie später, nach der Abendessenszeit, im Barbereich veranstalten würden (WTF?!); wir sind geschockt.
Kurz bevor A., K., W., V., C., P. und ich zum schönen Restaurant Chrisopigi in Kamilari aufbrechen wollen, ordert M. mich zu sich, um mir versteckt vor den anderen zu zeigen, welche massiven süßen Schweinereien er für später für W. bereit hält, da dieser heute Geburtstag hat (ich verplapperte mich zuvor, sorry!), während er sich herzhaft fluchend die zu dicken, geschmacklos hässlichen Socken von den Füßen reißt.
Wir kehren vom Abendessen zurück und hören schon von weitem auf dem Fußweg vom Parkplatz zum Barbereich unserer Unterkunft entsetzliche Schlagermusik, die Karaokeparty ist dort in einer Ecke im vollen Gange, ansonsten ist bis auf die doofe Gruppe keiner da, denn alle anderen wurden bereits vor unserem Eintreffen durch dieses Verbrechen an der Menschheit vergrault, wie uns M. angesäuert mitteilt. Wir setzen uns an den davon am weitesten entfernten Tisch, als eine Version des Klassikers „Happy Birthday“ ertönt und uns M. einen Teller mit zwei Stück Kuchen bringt, in dem mit dem flüssigen Schokoladenkern steckt eine Kerze. Alle applaudieren, auch die Dooferaner und voller Entsetzen sehe ich, wie sich die Sockenüberbringerin auf den Weg zu uns macht, dabei unelegant tänzelnd, wie in einem Horrorfilm, in dem sich das grauenerregende Monster unerträglich zeitlupenlangsam auf die Kamera zubewegt. W. bekommt davon erst nichts mit, weil er mit dem Rücken zu ihr sitzt, gerne rettete ich ihn, wenn ich denn könnte. Sie gratuliert ihm, und er darf sich einen Song wünschen, entweder „Liebe ohne Leiden“ oder „… dann geh doch“, W. entscheidet sich souverän für letzteren. Später überlegen wir, ob es sich dabei um eine Art Code der Törichten handelt, damit sie erkennen können, was wir von ihnen halten; unser Gastwirt lutscht dabei Schokoreste von der Kerze.
Als wir bezahlen, würdigen wir die Karaokeaner keines Blickes, nicht einmal des verdienten bösen.

28.05.

V. und C. wollen mit der kleinen P. an den Strand, obgleich C. prophezeit, sie werden es dort nur 5 Minuten aushalten, denn es ist sehr windig und der Strand gleicht einer natürlichen Sandbestrahlungsanlage. 5 Minuten? Nein, bereits wenige Sekunden später kehren sie zurück und besser im örtlichen Schwimmbad ein. Wie sie später berichten werden, hielten sich dort sowohl die Hannoveraner als auch die, vor etlichen Jahren schon in diesem Blog erwähnten, hessische Scheißebabbleh auf. Wir stellen uns vor, wie sich beide Gruppen anfreunden und eine Bundesländer übergreifende Supergroup des Funterrors bilden.


Sie stellen sich nicht so an, am Strand, im Wind, im Sand

29.05.

Beim Frühstück sitzt am Nachbartisch ein altes österreichisches Paar, er streichelt eine der zahlreichen Straßenkatzen und füttert sie aus seiner Hand. Als er bzw. sie damit fertig ist, kommt die Katze zu uns herüber und dabei A. aufdringlich nahe, die daraufhin den Fuß erhebt, selbstverständlich ohne das Tier zu berühren. Es schleicht sich und der Alte regt sich auf. „Nach einer Katze treten“, entfährt es ihm und „Weil eine Katze ja so gefährlich ist“, sagt er noch. Er brummelt danach minutenlang seinen Ärger in seinen Alm-Öhi-Bart hinein. Dabei ist er der einzige, der alles falsch gemacht hat, schließlich fasst man keine streunenden Tiere an und füttert sie auch nicht in einem Restaurant und man schreibt schon gar keine Postkarten mit kitschigen Katzenmotiven, wie es dieses Paar zuvor getan hat.
Heute haben wir mit Schweigen reagiert, maximal gekichert haben wir vielleicht, aber er will Krieg, also soll er Krieg bekommen.


Die Frage muss erlaubt sein: Können Alm-Öhis eigentlich lesen?

30.05.

Während A., V., C. und ich in der Taverna Loggia in Kamilari ein sehr gutes Frühstück einnehmen, bumsen hoch über uns 2 Spatzen (vögelnde Vögel, hahaha), sie können nicht voneinander lassen, sie wollen viele weitere kleine Bumsvögel produzieren, während die kleine P. Filzformen auf ein Filzformendings klettet.

In der Taverna Illios in Agios Ioannis ist ein älterer marokkanischer Herr für alles zuständig, er kocht, er bedient, er macht sogar das Licht aus, wenn schon früh keine Gäste mehr da sind, was uns um ca. 21 Uhr vor ein Riesenproblem stellt, als wir alle dort vorfahren. Die dunkle Taverne sieht nach Feierabend aus, aber da eine Tür offen steht, schauen wir und fragen mal nach. Der Mann macht das Licht und alle Küchengeräte wieder an. Wir bestellen allerlei Speisen zum teilen (als C. das Curry Chicken wählt, denke ich: „Wie ordinär“, dabei sollte sich gleich herausstellen, es handelte sich um eines der besten Curry-Gerichte, das ich je gegessen habe) und der Alte brummt bei deren Zubereitung zu Reggae-Melodien in der Küche herum. Später gibt er auf die schlafende P. acht, sie liegt zugedeckt auf einer Holzbank, er sitzt daneben und schmökt vor sich hin, eine nach der anderen.

31.05.

Heute Abend statten A., K., W. und ich der im letzten Bericht erwähnten Taverna Markos in Pitsidia einen zweiten Besuch ab. Von weitem erkennen wir die Retsinafrau mit den Glupschaugen auf der Terrasse vor dem Restaurant sitzen, das ist nur einer der Gründe, warum wir uns lieber an einen davon weiter entfernten, dazugehörigen Tisch auf dem Dorfplatz setzen. Am Himmel hängen bedrohliche, dunkle Gewitterwolken, bereit, unser Abendessen in ein arges Desaster zu stürzen. Die schlimmsten Dinge, die passieren sind jedoch nur, die Speisen sind nicht annähernd so gut, wie wir sie in Erinnerung hatten, außerdem kläfft lautstark ein blöder, aber riesiger Köter direkt vor unserem Tisch eine stark eingeschüchterte Katze an. Unter Einsatz meines Lebens, meiner Füße und eines Stuhls versuche ich ihn zu verscheuchen, was nur so mittelgut klappt. Später versucht er, neben uns einen Baum zu erklimmen, denn er ist wahnsinnig.

01.06.

Im veganen Restaurant Green Kukunari in Pitsidia sitzen A., K., W. und ich vor den aufgefalteten Speisekarten, als ein kleines, felliges Etwas auf dem Boden herumwuselt, -tollt und -rollt und dabei in alles hineinbeißt, was ihm vor das Schnäuzchen kommt, in unsere Taschen und Klamotten, die von den Stuhllehnen zu weit gen Boden hängen und zu guter Letzt in meinen Fuß. Das zwickt und meine Socke hat danach Löcher. Zur Belohnung knuddele ich es nach dem Essen ordentlich durch, wobei es mit seinen kleinen Schlappohren headbangt und sich anschließend wieder in meinem Fuß verbeißt, diesmal immerhin nur im Schnürsenkel. Ich kann das dazugehörige Bein ca. einen Meter hochheben und so lernt das Hundebaby in einem Alter von gerade mal 8 Wochen das Fliegen.


Ja, „es“ ist ein „er“

02.06.

Nach einer Nacht mit heftigen Gewittern und sehr viel Regen schüttet es in einer Tour bis zum späten Nachmittag durch und A. und ich fahren mit dem Auto die nähere Umgebung ab, um die Pegelstände der normalerweise um diesen Zeitraum eher ausgetrockneten Flüsse zu kontrollieren, was will man bei einem derartigen Wetter auch sonst machen: Von Pfützen bis zu kleinen Rinnsalen ist alles vertreten. Spektakulär.
Wegen des River Watchings haben wir vergessen, bei Athivoles für heute Abend einen Tisch zu reservieren. Offiziell macht das Restaurant erst um 18 Uhr wieder auf, trotzdem geht V. bereits um 16 Uhr hin, um niemanden dort anzutreffen, was sie bis 17 Uhr noch zweimal wiederholt, denn sie ist voller Reservierungseifer, wenn auch vergeblich.
Nach 17 Uhr werde ich hingeschickt, dort angekommen, fährt G. vom Restaurant gerade vor, hupt mich an und ich reserviere für später den Tisch. Zack, so geht das.

Bei Athivoles schlürfen 3 Männer am Nachbartisch auf unappetitlichste Weise lärmend Essen in Richtung ihrer Verdauungsapparate, während wir viel Spaß haben und die kleine P. mit Eifer und Kindernudeln ihre Sitzgelegenheit dekoriert. Wir Männer ballern zu viel Hauswein und Raki, die Frauen sind dabei mit deutlich weniger Alkohol lustig, teilweise kommen sie sogar ganz ohne aus. Vor allem C. schenkt uns Typen immer wieder proaktiv nach, das ist beeindruckend, müssen doch er, V. und P. in wenigen Stunden wieder aufstehen, K. und W. nicht viel später, da sie alle morgen abreisen werden.
Goodbye, sehr gerne wieder.

03.06.

Irgendwann zu Beginn des Urlaubs wollten wir im Restaurant Koule in Mires einkehren, doch damals wurden wir weggeschickt, weil es ein größeres Problem mit den Toiletten gab.
A. und ich versuchen es heute wieder, was uns vor Schwierigkeiten stellt, da uns das Navi immer wieder über Schotterpisten zu leiten versucht, die mit unserem Škoda Quatschniq, oder wie der heißt, kaum zu bewältigen sind.
Endlich, wir sind angekommen, und es wird uns mitgeteilt, die englische Version der Speisekarte sei leider noch nicht fertig geworden. Weswegen wir uns mit kyrillischen Schriftzeichen herumplagen müssen, wir verstehen nichts und bestellen aus Verlegenheit einen griechischen Salat und einen weiteren nach Art des Hauses. Erst später entdecken wir die Apps, die alles wunderbar in eine für uns brauchbare Sprache hätten übersetzen können.
Als wir bezahlen wollen, sagt der Wirt: „Slowly, slowly, relax, you are on holidays here“ und stellt uns 2 Shots hin, Fireball, das ist ein Likör, von dem er offensichtlich schon ein paar hatte. Die Flüssigkeit ist scharf und scheint uns für Momente in kalten Winterlandschaften ganz gut geeignet zu sein, jedoch nicht für diesen sommerlichen Tag. A. trinkt ihren nicht und ich habe, nach einem kleinen Schluck von meinem, auf den Rest ebenso keine Lust.
Der Wirt taucht für eine Stunde nicht mehr auf bzw. unter. Ich soll zwar relaxen, aber seine Abwesenheit und das nicht Begleichen können der Rechnung bewirken bei mir das Gegenteil und ich werde sehr zappelig und bin am Ende die unentspannteste Person der gesamten (!) Insel.


Wie sollen hier 2 XXL-Menschen mit 2 XXL-Smartphones Platz nebeneinander finden, wenn nicht mal einer mit einem hinein passt?

04.06.

A. und ich fahren nach Matala, um zu schauen, was wir uns dort als Nachmittagssnack reintun können. Doch als wir in den Ort hineinfahren, sehen wir nur Autos, Autos und Autos und keine Parkplätze. Wir wenden, das einzige Gute an Matala ist sowieso die Straße, die von da wieder wegführt. Ich bekäme jetzt einen nicht auszuhaltenden Shitstorm, hätte dieser Blog Leser.

Wir kehren nur wenige Kilometer weiter in einer Bäckerei in Pitsidia ein, es ist die dümmste Entscheidung dieses Urlaubs, und es ist meine. Je ein Stück Kirsch- und Zitronenkuchen, 2 Teilchen und Umsonstkekse zum Kaffee verputzt habend, quälen wir uns durch den Rest des Tages, ächzend und schwerfällig. Sicher haben wir die obligatorische 3 Kilo Gewichtszunahme nur durch diesen süßen Fressanfall erreicht.

Believe it or not, aber am Abend knattern wir wieder nach Matala, um in dem guten Restaurant Bistronomy zu essen. Auch kein idealer Name für ein Restaurant, aber immerhin kein Mythos of Aphrodite oder gröberer Unfug.
Außerdem könnte ich so den Shitstorm noch abwenden, gäbe es denn einen.

05.06.

Traditionell findet unser letztes Abendmahl bei Athivoles statt.
Gestern Abend im Bistronomy bat uns Kellner G., der aus dem Dörfchen Gergeri stammt, hier den Kellner, der aus dem Dörfchen Gergeri stammt und den gleichen Namen trägt, nämlich G., von ihm zu grüßen.
Also: „Viele Grüße von G. aus Gergeri.“
G. aus Gergeri stellt souverän die Gegenfrage: „Von welchem?“

Denn die Griechen heißen wirklich alle gleich.

06.06.

Wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat, dem dürfte aufgefallen sein, die Beben fanden irgendwann ein Ende oder sie wurden nicht mehr erwähnt, weil sie nicht weiter der Rede wert waren, auch fand ein Krieg mit mit dem Alm-Öhi niemals statt. Stattdessen folgt heute nur der klammheimliche Rückzug, äh, -flug.
Herzlichen Dank an alle, die ihren Teil zu einer gelungenen Zeit beitrugen.


P. hätte bei ihrer Abreise netterweise Messer und Gabel, ihre Yacht und den Eimer mit nach Hause nehmen können, anstatt diese Dinge einfach zurückzulassen

Posted by katarrh

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