Huldigt der Bio Company!

Man kann von der Bio Company halten, was man will, aber in der Filiale, in der ich in der Regel Waren einhole, herrscht stets Endzeitstimmung. Das liegt daran, weil es sich beim Arbeitgeber anzunehmenderweise um einen schlimmen Sparer handelt (oder um etwas noch fieseres), der Laden deswegen chronisch unterbesetzt ist und die Verkäufer viel zu viel Arbeit pro Person haben. Da dort aber die langsamsten Zombies beschäftigt sind, die man sich nur vorstellen kann, können beziehungsweise wollen diese den ganzen Kram gar nicht zur Kundenzufriedenheit erledigen. Wir reden hier in der Tat von den langsamen, schlurfenden Zombies der sehr altmodischen Romero-Sorte und nicht von den modernen, schnelleren. Ich bin das schon gewohnt, aber ab und zu toppt der eine oder die andere nochmal alles bisher schon Erlebte, aktuell ist es die neue, beschränkte Verkäuferin (klein, schon etwas älter, unvorteilhafte Brille) am kombinierten Käse-, Wurst- und Fleischtresen. Im Folgenden einige Anekdoten.

Ich stelle mich an den schon erwähnten Tresen, ich bin dort alleine, ganz alleine. Die Verkäuferin steht mit dem Rücken zu mir und bewegt die Rolle mit der Klarsichtfolie von links nach rechts. Nein, doch lieber wieder ein wenig nach links zurück. Ich spiele unterdessen auf dem Smartphone herum, Facebook, E-Mail, das Übliche – der normale Zeitvertreib des Digitalsüchtigen. Sie putzt analog die Messer, wischt einige Schneidebretter, wickelt Folie um Behälter, sie tut diese Dinge, weil sie Zeit hat, da kein Kunde ansteht. Kein einziger? In der Zwischenzeit könnte ja … Sie sieht sich um, ich neige meinen Kopf ein wenig zur Seite, um so ihre wertvolle Aufmerksamkeit zu erheischen. Aber nein, sie steht anschließend wieder mit dem Rücken zu mir und bewegt die Rolle mit der Klarsichtfolie von rechts nach links. Nein, doch lieber wieder ein wenig nach rechts zurück. Ich spiele auf dem Smartphone herum, aus lauter Verzeiflung schmeiße ich Pokémon Go an. Sie putzt die Messer, wischt einige Schneidebretter, wickelt Folie um Behälter, sie tut diese Dinge, weil sie Zeit hat, da nur ein Kunde am Verkaufstresen ansteht. Nur einer? Na gut, sie fragt trotzdem mal nach: „Wollen Sie hier was?“.
Aufgrund dieser Frage doch sehr perplex, vermute ich, ich werde darauf etwas schlagfertiges, unter Umständen sogar recht böses antworten, wahrscheinlich kommt aber nur ein lasches „äh Komma ja Fragezeichen Ausrufezeichen“ dabei raus: „Äh, ja?!“
Danach ein recht normaler Verkaufsvorgang, ich bin für Sprüche einfach zu verdattert.

Ein anderes Mal, einige Tage später. Diesmal stehe ich alleine auf der Käseseite des kombinierten Käse-, Wurst- und Fleischtresens. SIE ist wieder da, lächelt, freut sich offenbar, mich wiederzusehen und diesmal kann es ihr gar nicht schnell genug gehen, mich zu bedienen. Was mich auch schon wieder irritiert. Ich verlange ein Stück Le Grande Ribeaupierre und zwar eins, was deutlich größer sein soll als die beiden schon fertig abgepackten, die auf dem halben Laib besagten Käses liegen. Souverän packt sie eines der abgepackten Stücke auf die Waage, ihr Blick durchbohrt prüfend die Anzeige. Ich seufze schon mal innerlich. Dann nimmt sie das andere abgepackte Stück, wiegt es und laut Anzeige handelt es sich hierbei um das größere. Sie fängt an, es verkaufsfertig in Extrakäsepapier zu wickeln. Wie zur Salzsäule erstarrt, sehe ich ihr dabei zu, ich will etwas sagen, aber ich kann es nicht, ICH KANN ES NICHT; ein Gummihämmerchen klopft von innen gegen meine Schädeldecke. Dann auf einmal doch: „ICH SAGTE, ähm, ich sagte, ich möchte ein Stück, welches deutlich größer ist als die beiden schon fertig abgepackten!“
„Ach so.“
Danach ein recht normaler Verkaufsvorgang, ich verlasse anschließend den Ort in einer mir unwürdigen Knick-Senkhaltung.

Das bisher letzte Mal. Ich stehe jetzt bei Wurst und Fleisch, wieder alleine (ganz eindeutig bin nur ich so blöde, hier immer wieder einzukaufen). Heute lässt sie mich wieder warten. Ein anderer Mitarbeiter (einer von den guten!) schaut vorbei und sagt ihr, sie solle später noch dies und jenes tun und außerdem warte da ein Kunde am Tresen. Dann geht er wieder. Als ich „dran bin“, sage ich ihr, ich möchte ca. 450 Gramm Hähnchenbrust. Sie packt einen Fleischlappen auf die Waage, er wiegt ca. 220 Gramm; ich denke: „Ein Glück, das wird heute einfach.“
Sie legt ein zweites Stück dazu, insgesamt haben wir nun genau 400 Gramm. Ich muss wegen der möglichen anstehenden Komplikationen fast weinen und sie teilt mir mit: „Also, ich kann jetzt noch ein Stück dazu nehmen, dann wird das aber viel mehr.“
„N … n … nehmen Sie doch, ganz simpel, das zweite Stück wieder weg und tun dafür ein etwas größeres drauf.“
„Oh.“
Gesagt, getan, 460 Gramm. „Sehen Sie, ist doch ganz leicht!“, entfährt es mir geringfügig zu laut. Der Mitarbeiter von eben steht wieder in der Nähe herum und bekommt alles mit, was ich jetzt erst bemerke; fast tut sie mir deswegen ein bisschen leid.
Wechsel zur Käseseite, die schon abgepackten Stücke Le Grande Ribeaupierre sind wieder sehr filigran geraten, ich hole tief Luft und will zu meinem Spruch ansetzen. „Sie wollen sicher wieder ein größeres?“, kommt sie mir zuvor. Ich atme betont freundlich aus: „Ja, gerne.“

Ist sie also gar nicht so beschränkt? Lernt sie etwa dazu? Wird sie entlassen werden? Oder wird sich alles zum Guten wenden? Es bleibt dermaßen spannend. Viva la Bio Company!

Posted by katarrh

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